Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
konnte ihr da einen Vorwurf machen, dass sie Ringe für unwichtig hielt?
Der nächste Punkt auf der Liste war die Organisation der Zeremonie. Wir hatten das Versprechen des Bürgermeisters von Andrano, dass uns die Burg an diesem Tag allein gehörte, und wir wollten die Trauung im Innenhof abhalten. Ich hatte vorgeschlagen, sie nach drinnen zu verlegen, falls es während der Zeremonie zu heiß würde, aber Daniela hatte sich in das steinerne Geviert verliebt. Für alle Fälle baten wir trotzdem darum, dass der Amtsraum im ersten Stock geputzt wurde. Außerdem baten wir den vigile , dafür zu sorgen, dass das Burgtor verschlossen blieb. Unsere größte Angst war der Matratzenverkäufer, dessen ohrenbetäubendes Geschrei nicht gerade die Hintergrundmusik war, die wir uns vorstellten.
Andranos Bürgermeister, Giuseppe Accogli, wachte am Bett seiner kranken Mutter, sodass die Zeremonie vom Vize-Bürgermeister Mario Accoto durchgeführt werden würde, einem engen Freund von Danielas Familie, der sich freiwillig angeboten hatte. Daniela und ich verbrachten einen Nachmittag mit Mario, übersetzten das Ehegelübde meinen Eltern zuliebe auf Englisch und halfen ihm, die schlimmsten Patzer bei der Aussprache auszubügeln. Bis auf das Gelübde und ein Gedicht, das meine Mutter vorlesen wollte, sollte der Rest der Zeremonie auf Italienisch stattfinden. 102 italienische Gäste kamen auf meine Eltern, und nur ihretwegen konnten wir die Zeremonie unmöglich doppelt so lange gestalten. Stattdessen organisierten wir eine schriftliche Übersetzung aller weiteren Reden und Gedichte. Mario machte den höflichen Versuch, seine Rede selbst zu übersetzen, was bis auf die Tatsache, dass er den Bürgermeister als »Mähre« bezeichnete, auch einigermaßen klappte.
Um an unsere irischen Anfänge zu erinnern, wünschte sich Daniela etwas keltische Musik und machte sich auf die Suche nach einem Harfenisten. Eine Kollegin von ihr kannte eine Harfenistin in einem Ort in der Nähe und nannte uns ihren Nachnamen, damit wir ihn im Telefonbuch nachschlagen konnten. Das Harfenspiel zu erlernen wäre schneller gegangen. Das Telefonbuch verzeichnete einundvierzig Rizzos, in einem Ort mit 2500 Einwohnern, von denen vier in derselben Straße wohnten. Das klingt nach vielen? Nun, von 5000 Andranesi teilen sich 185 den Nachnamen Accogli, einschließlich der Mähre, äh, des Bürgermeisters. Wenigstens suchten wir nach einer großen Nadel im Heuhaufen.
Ein Besuch auf dem Friedhof zeigt einem die häufigsten Nachnamen in einem süditalienischen Dorf, die, obwohl sie auf beinahe jedem Grab stehen, weit davon entfernt sind auszusterben. Andrano wurde von sieben Familien gegründet, die untereinander heirateten und selbst große Familien gründeten. Da sie dieselben Wurzeln haben, gibt es im ganzen Salento weit verbreitete Nachnamen wie Accogli, Accoto und Panico in Andrano sowie Musarò, Turco und Longo in Tricase. Da man auch weiterhin untereinander heiratet, hat sich der Trend nur noch fortgesetzt. Nur die Immigration hat zu einer leichten Verwässerung geführt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nur einen einzigen Harrison in Andrano gibt. Zur Sicherheit sollten Sie im Telefonbuch allerdings unter A nachschlagen.
Doch den Süditalienern genügt es nicht, mit gemeinsamen Nachnamen Verwirrung zu stiften. Sie haben auch noch die Angewohnheit, ihre Kinder nach dem Schutzheiligen des Ortes zu benennen. Das bedeutet, dass sich viele Einwohner sowohl den Vor- als auch den Nachnamen teilen. Andrea ist ein beliebter Vorname in Andrano wegen des gleichnamigen Schutzheiligen. Aber ein Heiliger muss kein Schutzheiliger sein, damit sein Name übernommen wird. In Andranos Chiesa di Sant’Andrea gibt es eine Statue von San Rocco, der zwischen einem Hund und einem Jungen mit aufgeschlagenen Knien steht. Vielleicht hatte auch er einen Unfall mit seiner Vespa. Laut einer Heiligenlegende wurden San Rocco von einem Hund die Wunden geleckt und dadurch auf wundersame Weise geheilt. Die häufigen Invasionen zu Lande und zu Wasser mögen die Bevölkerung von Andrano im Laufe ihrer turbulenten Geschichte veranlasst haben, San Rocco – den Schutzpatron der Verwundeten und Pestkranken – zu verehren, in der Hoffnung, dass auch ihre Wunden geheilt werden. Dasselbe erreicht man, wenn man sein Kind nach ihm benennt. Einmal im Jahr ehrt Andrano San Rocco. Dann wird seine Statue durch den Ort getragen, und diejenigen, die nach ihm benannt sind, feiern ihren onomastico oder
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