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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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Nachmittag gehörte Daniela und mir. La Tenuta Lucagiovanni oder Maglio , wie das Lokal offiziell heißt, bot eine große Auswahl von Gedecken und Blumenarrangements, von denen sich Mutter und Tochter eines aussuchen konnten. In den Wochen vor der Hochzeit unternahmen sie unzählige Ausflüge zur Villa und entschieden alles Mögliche, angefangen von der Höhe der Torte bis hin zur Länge der Kerzen.
    Von einem dieser Ausflüge kehrte Daniela besorgt zurück. Nachdem sie einen Pianisten gebucht hatte, der auf dem Flügel im Speisesaal spielen sollte, hatte man sie gewarnt, dass sie eine Steuer auf die Darbietung zahlen müsse. Nach italienischem Recht besaß der Pianist das Copyright, außer wir zahlten 100 Euro an den italienischen Schriftsteller- und Verlegerverband für die Rechte an der Musik, die unser Essen untermalt. Irgendjemand in der Villa hatte Daniela eingeredet, die Guardia di Finanza habe an einem Freitagabend nichts Besseres zu tun, als Hochzeiten heimzusuchen, dort nach den Quittungen für die Hintergrundmusik zu fahnden und Bußgelder zu verteilen, falls die Steuer nicht gezahlt worden war.
    In ihrer Verwirrung, ob sie sie nun zahlen sollte oder nicht, rief Daniela den Pianisten an, der sagte, die Steuer sei legittima . Aber wenn die Finanzpolizei auftauche, könne man ebenso gut sagen, er gehöre zu den Hochzeitsgästen und spiele aus lauter Nächstenliebe spontan ein paar Sonaten. Anscheinend hatte diese Steuer das Geschäft des Pianisten bereits fast ruiniert – während des Essens eine CD abzuspielen war deutlich billiger -, weshalb er seinen Kunden diesen Ausweg anbot. Aber das Problem daran war laut Daniela, die von den hiesigen Sitten und Steuern sichtlich aufgerieben wurde, dass die Guardia di Finanza schnell merken würde, dass unser sogenannter Gast sehr wohl ein ausgezeichneter Profi war. Denn wer spielt schon freiwillig anderthalb Stunden am Stück und trägt dabei noch einen Frack?
    Über die Steuer wurde, wie sooft in Italien, heftig diskutiert.
    Die Leute aus der Villa meinten, es sei unsere Entscheidung, allerdings könnten sie etwaigen Beamten nicht den Zutritt verbieten. In der Vergangenheit war es zu Kontrollen gekommen, die allen den Abend ruiniert hatten. Ich plädierte dafür, nicht zu zahlen, und meinte, wenn man wirklich auf die Einhaltung eines solchen Gesetzes pochen würde, dürfte es auch nirgendwo mehr in Italien Straßenmusikanten geben. Außerdem heiratete hier sowieso niemand an einem Freitag, sodass die Guardia di Finanza eher im Aufenthaltsraum Karten spielen als unsere Hochzeit kontrollieren würde. Wenn niemand etwas gesagt hätte, wären wir gar nicht auf die Idee gekommen, uns Sorgen zu machen. Warum diskutierten wir dann nicht, ob der Auftritt der Harfenistin auf der Burg nicht auch Steuern kostete? Doch nur weil uns niemand im municipio darauf hingewiesen hatte, was hoffentlich auch so bleiben würde.
    Nach tagelangen Überlegungen beschloss Daniela zu zahlen, und sei es nur, um sich die Albträume von Männern in grauen Anzügen zu ersparen, die ihre Hochzeit stürmten wie Hollywood-Cops. Also fuhren wir eines Junimorgens, während die letzten Mohnblüten am Straßenrand standen, zu einer Behörde in Maglie und zahlten, was in Wahrheit eine Versicherungsprämie gegen ungebetene Hochzeitsgäste war. Genauso gut hätten wir aufs Polizeirevier fahren und uns anzeigen können, weil wir einen Fernsehfilm mitgeschnitten hatten. Welches Formular der carabiniere in Loritano wohl für diesen Verstoß verwenden würde?
    Nachdem die Tischwäsche ausgesucht und das Ehegelübde geprobt worden war, begannen wir uns langsam zu entspannen und freuten uns auf den großen Tag. Meine Eltern kamen und machten es sich im Strandhaus gemütlich. Dad hatte sogar Taucherbrille und Schnorchel mitgebracht. Beide waren entzückt von Andrano, vor allem von seiner Piazza. Die uralten Traditionen faszinierten sie: das Geschrei der Gemüsehändler, das verlässliche Schlagen der Glocke. Dad war gerade mal eine Stunde da, als er auch schon wusste, wie oft sie schlug. Mir war es genauso gegangen. Es war herrlich, sie wiederzusehen.
    Valerias Haus erlebte eine sizilianische Invasion, und Daniela verbrachte den Abend vor ihrer Hochzeit bei ihrer Mutter und ließ sich von ihrer Riesenfamilie feiern. Ich verbrachte einen ruhigen Abend mit Australian-Football -Spielen auf Video, die mir mein Vater mitgebracht hatte, übersetzte seine Rede ins Italienische und plauderte mit meiner Mutter, während

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