Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Daniela dagegen entwarf und nähte ihr Kleid mithilfe einer Freundin ihrer Mutter, die Schneiderin war. Es war mir streng verboten, das Kleid zu sehen, aber die Schuhe durfte ich begutachten, und so begleitete ich Daniela zu mehreren Märkten nach Maglie, um welche zu finden. Daniela hatte ein Talent dafür, noch in den billigsten Klamotten teuer auszusehen. Wir saßen einmal in einem Wartezimmer in Sydney, als sich eine Frau über ihre drei Jahre alte Modezeitschrift beugte und fragte: »Wo haben Sie diese Schuhe her? Sie sind fantastisch.« Als Daniela »Italien« sagte, dachte die Frau zweifellos an die Prachtstraßen Mailands und nicht an den Markt in Maglie, wo ein ungepflegter alter Mann aus seinem Schrottlaster heraus Billigtreter verkauft.
Daniela kaufte einen Großteil ihrer Garderobe auf dem Markt von Maglie, der für seine hohe Qualität genauso berühmt ist wie für seine niedrigen Preise. Dort bekommt man eine Hose und hat hinterher immer noch Geld übrig, das man in die Tasche stecken kann. Niedrigere Breitengrade bedeuten auch niedrigere Preise, und Norditaliener wissen diesen Unterschied durchaus zu schätzen, wenn sie im Sommer gen Süden ziehen. Ein gewitzter Händler auf dem Markt nutzte diesen Preisunterschied für seine Verkaufsargumentation. Wie jeden Samstag war er auch an jenem Morgen da, als Daniela und ich nach Schuhen suchten. Er stand vor einem bunten Haufen aus Schuhen und Schnürsenkeln und schrie: »Die Frauen in Mailand würden sich die Haare raufen, wenn sie solche Schuhe zu solchen Preisen sehen könnten!« Bei dieser Gelegenheit hatte er leider nichts Passendes, und so raufte ich mir meine noch verbliebenen Haare, als wir ein kleines Vermögen in einem Brautmodengeschäft ließen. Dort erwarben wir ein Paar elfenbeinfarbene Pumps mit hohen Absätzen, die Daniela nicht einmal lange genug tragen würde, um die Sohlen schmutzig zu machen.
Wer in Italien gegen den Strom schwimmt, muss damit rechnen, dass sich die anderen Fische das Maul zerreißen. In synchronisierten Schwärmen lästern sie nicht nur über die Nonkonformisten, sondern fühlen sich auch noch dazu verpflichtet, sie über die Strömungsrichtung zu informieren. Familienangehörigen konnte ich solche Einmischungen gerade noch verzeihen, aber Rat von Fremden anzunehmen fiel mir schwer. Als Daniela und ich loszogen, um Trauringe auszusuchen, interessierte die Juweliere weniger, was wir uns wünschten, als vielmehr, was die Tradition erforderte. Als ich um Danielas Hand anhielt, schenkte ich ihr einen Verlobungsring, zu dem sie sich jetzt einen passenden Bandring wünschte. Da die Verlobungsringe aus Weißgold waren, suchte sie nach einem Bandring aus Weißgold.
»Hier sind die Trauringe«, sagte ein Juwelier in Tricase und zeigte ihr eine Auswahl Ringe in Gelbgold. »Weißgold ist für den fünfundzwanzigsten Hochzeitstag.«
»Dürften wir die Weißgoldringe trotzdem mal sehen?«
Er schüttelte die Ringe auf ein Samttablett.
»Aber Sie brauchen diese hier.«
Einen anderen Juwelier verwirrte ich dadurch, dass ich versuchte, mir selbst einen Ring aus Gelbgold zu kaufen. »Was? Die Ringe sollen nicht dieselbe Farbe haben? Aber das muss so sein!« Ganz so, als machten sie sich einer illegalen Hochzeit schuldig, indem sie uns Ringe in verschiedenen Farben verkauften! Aber vielleicht konnte sie auch die Guardia di Finanza mit Bußgeld überziehen, weil sie eine Tradition gebrochen hatten. Und nicht nur die Juweliere achteten streng auf die Einhaltung von Sitten und Bräuchen. Als Daniela zum Floristen von Andrano ging, um ihrer Mutter Blumen zum Geburtstag zu schenken, bat sie die Aushilfe, tulipani in lila Papier zu wickeln. »Lila ist für Beerdigungen«, sagte die Inhaberin. »Ich kann Ihnen Rot oder Grün anbieten.«
In Maglie fanden wir endlich eine junge Verkäuferin, die begriff, dass wir unsere Geldbeutel schneller öffneten, wenn sie den Mund hielt. Bis heute gibt es allerdings nur wenige italienische Freunde, die nicht entsetzt darüber sind, dass Danielas und mein Ehering unterschiedliche Farben haben. Und noch weniger schaffen es, den Mund zu halten. Dass wir glücklich verheiratet sind, ist für sie anscheinend bloß Nebensache.
Erstaunlicherweise sagte Danielas Mutter nichts zu den Ringen. Da ihre arthritischen Finger jeden Schmuck mieden, verstaubte ihr eigener Ehering auf der Ankleidekommode. Valerias Eltern und Großeltern hatten ihre Trauringe noch auf Mussolinis Befehl hin dem Krieg opfern müssen. Wer
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