Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Beitrag zur Welt der Physik, klettert ein gebückter Pippo aus dem Wagen, geht um das Wagenheck herum und hebt erneut den Daumen, zum Zeichen, dass es keine Sekunde mehr dauern wird. Nachdem er den Kofferraum geschlossen hat, steigt er wieder ein und zieht die Tür diesmal sanfter zu. Aber der Kofferraumdeckel geht noch einmal auf, und die Slapstickszene wiederholt sich erneut.
»Ich das bestimmt schon tausend Mal gesehen haben«, sagt Daniela. »Meinen Vater das machte wahnsinnig. Er sagen zu Pippo, er soll durchs Fenster hineinklettern, aber er sagen, er ist zu alt.«
Pippo beschließt, die Fahrertür aufzulassen und den Zündschlüssel zu drehen, woraufhin das ganze Auto vibriert wie ein nasser Hund, der sich schüttelt. Ein rasselndes Keuchen ertönt, als die alte Kurbelwelle gezwungen wird, ihren Dienst zu tun. Humpelnd wie sein Besitzer verschwindet La Giardiniera , doch kaum sind wir in der Garage, steht sie auch schon wieder vor der Ausfahrt.
»Was, wenn wir wieder wegwollen?«
»Dann hupe ich.«
Nach einer kurzen Dusche, um das Salz abzuwaschen, sagt Daniela, sie müsse ein paar Einkäufe machen, bevor die Läden über Mittag schließen. Das erledige sie am liebsten per Fahrrad. Für mich habe sie auch schon eines besorgt, da man in Andrano nicht ohne Fahrrad zurechtkommt – nicht zuletzt deshalb, weil man das Auto nicht immer aus der Garage fahren kann. Es ist ein Damenrad, das wie die Unterwäsche der Nachbarin eher zum Zwecke der Bequemlichkeit als zu dem der Geschwindigkeit entwickelt wurde.
Die schönsten italienischen Mosaiken sind die Straßen von Andrano. Während ich durch den Ort holpere und von einem Schlagloch ins nächste gerate, springt mein Fahrradscheinwerfer aus seiner Plastikeinfassung. Unter diesen Umständen fällt es schwer, einen geraden Kurs beizubehalten. Radfahrer, die versuchen, den Schlaglöchern auszuweichen, sehen aus wie Betrunkene, und ich komme mir vor, als würde ich auf einem Stier Rodeo reiten.
Mit quietschenden Bremsen halten wir vor dem Coop-Supermarkt, wo mich Daniela Antonio, dem Metzger des Ortes, vorstellt. Er steht mit einem kleinen Mädchen und einer räudigen Katze vor dem Laden und versucht, Ersteres dazu zu bewegen, Letztere mit nach Hause zu nehmen. Die Katze miaut herzerweichend und wackelt angesichts der Düfte, die durch ein Fliegengitter auf sie einstürmen, mit dem Näschen.
Im Laden säumen verstaubte Waren die Wände, und eine Frau etikettiert Pasta. Hinter der Fleischtheke hängt über einer Reihe blasser Kaninchen, die alle viere von sich gestreckt haben – so als habe man ihnen bereits auf der Flucht das Fell über die Ohren gezogen -, ein kleines blaues Herz mit der Aufschrift: » È nato un bambino « – »Wir haben einen kleinen Jungen bekommen.«
» Auguri «, gratuliert Daniela. »Wie heißt er?«
»Paolo«, entgegnet der stolze Vater.
» Che bello «, sagt Daniela und faltet die Hände vor der Brust, bevor sie ein paar Scheiben Schinken und Mortadella bestellt.
Ich hatte Daniela dummerweise gesagt, das mir ein panino zum Mittagessen reichen würde. Aber als wir die kopfsteingepflasterte Straße hinter der Kirche entlangradeln und an offenen Fenstern vorbeikommen, bringen die Küchendüfte meine Nase zum Zucken wie die der Katze.
Wegen des köstlichen Dufts nach gegrilltem Fisch und Braten, nach Knoblauch, Auberginen und ZucchineZucchineZucchine , kann ich meinem panino nicht mehr viel abgewinnen.
Als die Kirchturmuhr halb zwei schlägt, hallen die Glocken erstmals nach Sonnenaufgang wieder durch verlassene Straßen. Hinzu kommen das Klirren von Besteck, die Erkennungsmelodien von Seifenopern und Tischgespräche. Selbst wenn man nicht neugierig ist – und laut Daniela ist hier jeder neugierig -, kommt man kaum umhin, wenigstens über die Nachbarn Bescheid zu wissen. Als wir uns auf unsere Spaghetti mit Muscheln in Weißweinsauce stürzen, die Daniela spontan für uns gezaubert hat, hören wir draußen einen kleinen Jungen, der Straßenhunden das Kommando »Sitz!« beibringen will. Sein Vater ruft ihn herein mit der Begründung, er verschwende nur seine Zeit. Es sei schon ein Wunder, dass sie überhaupt noch stehen können.
Als die Kirchturmuhr halb drei schlägt, werden die Fensterläden verrammelt, um Nacht vorzutäuschen. Während der Siesta wird Andrano zur Geisterstadt. Auf meiner Fahrradfahrt durchs Dorf sehe ich, dass sogar die Ampeln abgeschaltet sind. Das blinkende orangefarbene Licht verleiht den verlassenen Straßen
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