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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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etwas Unheimliches. Wenn ich nicht wüsste, dass Andrano schläft, würde ich denken, es wäre verlassen. Die Hitze hat den Ort zum Schweigen, Schlafen und Ausruhen gezwungen, und man kann die weißen Häuser nicht ansehen, ohne von ihnen geblendet zu werden.
    Zu Hause bei Daniela liegen wir bei halb geschlossenen Rollläden auf dem Bett und genießen die Stille. Um drei schlägt die campana feierlich sieben Minuten lang, eine düstere Ermahnung an den Tod Jesu zu jener Stunde. Kurz nachdem das Läuten aufhört, höre ich den hellen Singsang eines Kindes. Neugierig gehe ich nach draußen und sehe, wie auf dem Balkon gegenüber ein vielleicht fünfjähriges Mädchen splitterfasernackt herumtanzt. Es träufelt sich Wasser über den Kopf und singt: » Voglio l’amore, voglio fare l’amore .«
    Ich bin fest davon überzeugt, dass mir meine mangelhaften Sprachkenntnisse einen Streich spielen, und eile zurück ins Schlafzimmer, wo Daniela fast eingedöst ist. Ich berühre sie sanft an der Schulter und flüstere: »Singt das Mädchen wirklich, was ich denke?«
    » Che cosa ?«
    »Ich will Liebe, ich will Liebe machen?«
    Daniela hört einen Moment zu.
    » Si «, sagt sie, ganz benommen vor Hitze und Schläfrigkeit.
    »Und sie tanzt dabei nackt auf dem Balkon?«
    »Ja und?«, sagt Daniela geistesabwesend, bevor sie endgültig einschläft.
    Ich nicke schließlich auch ein, nachdem ich diese frühreife Serenade mithilfe der heruntergelassenen serranda zum Schweigen gebracht habe, und eine Glocke Viertel vor vier schlägt. Und wieder ist es vollkommen dunkel im Zimmer. Wenn Daniela nicht neben mir atmen würde, hätte ich keine Ahnung, wo ich bin.

3
     
    Zwei Tage an einem – Sera
     
    D anielas braun gebrannter Po tanzt erneut, als sie die Rollläden wieder hochkurbelt. Lärm und Licht durchfluten das Zimmer, und wenn die Glocke nicht Viertel vor fünf läuten würde, könnte ich schwören, ein neuer Tag sei angebrochen. Stattdessen hat gerade mal die zweite Hälfte des ersten Tages begonnen. Nachdem die schlimmste Nachmittagshitze vorbei ist, erwacht Andrano zu neuem Leben.
    Eine Viertelstunde später erfüllt eine süße Orgelmelodie die Stadt und hypnotisiert sämtliche Straßenhunde, die dazu jaulen. Das ist das Angelus-Gebet, klärt mich Daniela auf, das an die Menschwerdung Gottes erinnert. Dieses musikalische Ritual ist ein uralter katholischer Brauch, aber gleichzeitig das moderne Signal für die Geschäfte Andranos, für den Abend wieder aufzusperren. Von nun an gehen die Andranesi ihren Pflichten nach, und die mediterranen Vergnügungen sind nur noch eine vage Erinnerung an den Vormittag. Ich dagegen will weiter faulenzen und ihnen dabei zusehen.
    Danielas Haus ist eines der wenigen, die etwas zurückgesetzt von der Straße liegen. Mit seiner Veranda hinter einer Wand von Geranien ist es ein idealer Aussichtspunkt, um zu beobachten, wie der Nachmittag an der Via Dodici Apostoli verstreicht, einer lebhaften Straße, die vom centro storico bis an den Stadtrand führt. Die von Schlaglöchern und Straßenreparaturen übersäte, enge, belebte zweispurige Straße ist nichts für Menschen mit schwachen Nerven. Die Straßen von Andrano dienen nämlich nicht nur der Fortbewegung, sondern noch vielen anderen Zwecken. So kann man darauf beispielsweise stricken, sticken, bügeln, Fußball und Karten spielen, sich unterhalten, sitzen, Landwirtschaft betreiben und – vorausgesetzt, man ist ein Straßenköter – dösen.
    An beiden Enden der Straße genießt das menschliche, tierische und motorisierte Treiben religiösen Schutz. An unserem Ende sorgt dafür eine von Kerzen und Plastikefeu umgebene Keramikmadonna, während am anderen Ende der Straße eine lebensgroße Statue von Padre Pio, einem italienischen Heiligen aus dem 20. Jahrhundert, die Kreuzung bewacht sowie all jene, die ihr unleserlich gewordenes Stoppschild ignorieren. Diese Leitfigur der Frommen mit dem gütigen Gesicht und der braunen Tunika bewacht für immer und ewig die Villa eines Kardinals aus dem Vatikan, der in einem solch kleinen Städtchen ein äußerst berühmter Einwohner ist. Auf einer Plakette zu Füßen des Padres steht: »Ti aspettiamo « – »Wir erwarten dich«, obwohl die Glasscherben auf der turmhohen Mauer dem müden Pilger etwas ganz anderes verkünden.
    Während wir unsere Füße gegen Danielas Verandamauer stützen und einen knallroten aperitivo in den Händen halten, sehen wir zu, wie der Nachmittag vergeht. Was für Daniela schlicht

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