Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Neuen bestimmt bald verflogen, und meine Beziehung zu Daniela würde auch darunter leiden.
Bis zu diesem Moment hatte ich mir gar keine Gedanken über unsere Beziehung gemacht. Ich war immer noch genauso verliebt in Daniela wie damals in Irland, als ich dachte, unsere Affäre würde genau so lange halten wie mein Pint. Die Leidenschaft, die wir füreinander empfanden, hatte sogar den ungewöhnlichen Umstand überlebt, dass wir von Anfang an zusammengezogen waren. Wir hatten keine andere Wahl gehabt, die Entfernung zwischen unseren Heimatorten hatte uns eine Alles-oder-nichts-Entscheidung abverlangt. Sonst hätten wir uns kaum sehen können, und die Einzige, die von dieser Art Beziehung profitiert hätte, wäre meine Vielfliegerkarte gewesen. Aber jetzt begannen Barzinis Alarmglocken zu läuten. Aus sommerlichen Zerstreuungen waren winterliche Entscheidungen geworden, und unsere Zukunft lag im selben dichten Nebel wie Mailand. Sich verlieben ist leicht. Aber eine dauerhafte Beziehung zu führen ist schwer.
Trotzdem waren wir bereits weiter, als es uns Barzini prophezeit hatte. Anfangs war ich einfach nur auf ein schönes Mädchen scharf gewesen, mit dem ich mich kaum unterhalten konnte. Aber dann verliebte ich mich in eine sensible Frau, die wusste, wie kompliziert unsere Beziehung war, und sie hegte und pflegte wie das basilico , das in mammas Garten gedieh. Von Zeit zu Zeit wurde es von streunenden Katzen angepinkelt, aber das verstärkte sein Aroma noch.
Danielas Charakter machte unsere Beziehung überhaupt erst möglich. Sie verlor nicht einmal dann die Geduld, wenn wir vier Stunden brauchten, um einen zweistündigen Film zu sehen. Im Kino beugte sie sich immer wieder zu mir und flüsterte mir eine Übersetzung ins Ohr. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, den Film zu verstehen, um über so etwas wie Popcorn oder Küsse im Kino überhaupt nachzudenken.
Sie drängte mich nie, ihre Sprache zu lernen, und entmutigte mich auch nicht, wenn ich Fehler machte. Die machte ich auch ihr gegenüber, was sie mir aus irgendeinem Grund verzieh. Sie rügte Freunde, die zu schnell redeten, und alle, die Dialekt sprachen. »Bitte nur Hochitalienisch, vielen Dank«, pflegte sie stets zu sagen. »Wie würdet ihr euch fühlen, wenn er auf Englisch losquasseln würde?«
Da sie hatte mit ansehen müssen, wie ihr Vater auf tragische Weise vom Professor zum Patienten geworden war, besaß sie Mut, Zähigkeit und eine unglaubliche Willensstärke – alles Eigenschaften, die sehr wünschenswert sind, wenn ein erwachsener Mann in dein Leben tritt, um den man sich kümmern muss. Von dem Moment an, in dem ich in Italien ankam, war Daniela meine Geliebte, Lehrerin und Freundin. Dass wir beinahe ein Jahr später immer noch zusammen waren, lag an ihrer bewundernswerten Art, all diese Rollen gleichermaßen zu bewältigen.
Es gab natürlich auch schwierige Momente, in denen verschiedene Kulturen und Wünsche aufeinanderprallten. Daniela hasste meine Ordnungsliebe und ich ihre Unordnung. Ich war pünktlich, sie kam zu spät. Ich war organisiert, sie war zerstreut. Ich war direkt, sie schlug verbale Kapriolen. Sie warf mir vor, ich sei ungeduldig und stur. Und ich beschwerte mich darüber, dass sie nicht verstehe, wie allein man sich manchmal in einem Land fühlt, in dem niemand die eigene Sprache spricht. Unter welchem Druck ich stehe, und wie viele Kompromisse ich eingegangen sei, um in ihrer Heimat ein neues Leben zu beginnen. »Es gibt niemanden, der dich dazu zwingt«, sagte sie unbeholfen, aber mit einem hinreißenden Akzent.
Unser größtes Problem bestand darin, dass Daniela es mit der Wahrheit nicht immer sehr genau nahm. Über ihre Lippen sprudelten jede Menge höfliche kleine Lügen – durchschaubare und im Grunde harmlose Lügen, aber eben doch Lügen, die meistens nur Verwirrung stifteten. In unserem ersten Sommer in Andrano schlug sie eines Nachmittags vor, von Acquaviva nach Castro zu laufen, die durch einige Badeorte und wenige Kilometer getrennt waren. Da ich dachte, man müsse die schmale, gewundene Küstenstraße benutzen, die schon für Autofahrer und erst recht für Fußgänger lebensgefährlich ist, lehnte ich ab und schlug vor, stattdessen schwimmen zu gehen. » E dai «, bettelte Daniela. »Es gibt einen Fußweg.« Also brachen wir auf. Doch schon bald stellte ich fest, dass sie den Fußweg nur erfunden hatte, um mich zu dem Spaziergang zu überreden. Sie hatte das natürlich nur zu meinem Besten getan, denn ich
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