Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Daniela, die schon seit Wochen kaum noch schlief, um zwei Uhr morgens ins Ohr flüsterte, dass sie eine Rückversetzung an ihre alte Schule beantragen würde. Sechzehn Monate waren vergangen seit jener Nacht in Sydney, in der sie mich gebeten hatte, nach Italien zu ziehen, und in der ich Ja gesagt hatte, noch bevor sie ihre Frage beendet hatte. Doch in dieser Nacht zögerte ich, als sie mich bat, mit ihr nach Andrano zu gehen. Ich sagte weder Ja noch Nein. Stattdessen erzählte ich ihr von meinem Entschluss, noch einmal für eine Weile nach England zu gehen, um über das glücklichste, aber auch schwierigste Jahr meines Lebens nachzudenken. Um in meiner Muttersprache zu schwelgen, alte Freunde zu besuchen, meine Batterien wieder aufzuladen und meine Abenteuerlust neu zu entfachen. Und natürlich, um mich umzuschauen und herauszufinden, ob mir die Vergangenheit eine Zukunft wies.
Ich hielt Daniela im Dunkeln fest, strich ihr übers Haar und trocknete ihre Tränen.
Mein Sommermädchen fühlte sich ganz dünn und kalt in meinen Armen an. Ich dachte daran, wie glücklich ihre Schüler sein würden, ihre Lieblingslehrerin zurückzubekommen. Wie glücklich ihre Mutter sein würde, wenn ihre Tochter wohlbehalten nach Hause zurückgekehrt war. Aber ich dachte auch daran, wie traurig wir sein würden, wie wir zu unterschiedlich für einen gemeinsamen Lebensweg waren. Daniela hatte einmal gesagt: Wenn es ihrem Vater noch gutgegangen wäre, hätten wir uns vielleicht niemals kennengelernt. Doch jetzt, wo er krank war, schien er uns ebenfalls auseinanderzubringen.
Dann quietschten draußen die Reifen, und eine Stimme schrie: » Vaffanculo! « – »Fick dich!«
Das Leben in Mailand würde auch ohne uns weitergehen.
Danielas Bitte um Rückversetzung wurde vom Schulministerium genehmigt, aber Danny weigerte sich, meine Kündigung in der Englischsprachschule zu akzeptieren. Wir kündigten unseren Mietvertrag ohne irgendwelche finanziellen Nachteile, auch wenn die Vermieterin darauf bestand, dass wir die Küche strichen, wenn wir unsere Kaution wiedersehen wollten. »Die Tomatensauce sollte sie eigentlich an die Freunde erinnern, die sie nicht hat«, sagte Daniela, als ich die Spuren unserer Sonntagabend- Spaghettatas beseitigte. Unser Aufenthalt in der Wohnung hatte wenig dazu beigetragen, Nord- mit Süditalien zu versöhnen. Aus unserer Sicht war unsere Vermieterin eine typische geldgierige Mailänderin. Und aus der Sicht unserer Vermieterin waren wir Faulpelze aus dem Süden.
Unsere letzten Tage in Mailand verbrachten wir dort, wo wir auch schon unsere ersten Tage verbracht hatten – bei Francesco. Ich würde meine Sachen bei ihm lassen, solange ich in England war. Ich besaß nicht viel, die Ausbeute meines Jahres in Italien befand sich in meinem Kopf, in meinem Herzen und beim Spengler. Unser Lancia, der vor neun Monaten noch so gut wie neu gewesen war, besaß inzwischen mehr Beulen als ein Pestkranker. Im teuren Mailand ließen wir nur das Nötigste reparieren, der Rest konnte bis zu Danielas Rückkehr nach Andrano warten, wo solche Arbeiten nur halb so viel kosten oder von einem Cousin erledigt werden.
Danny und die anderen Kollegen hatten einen Abschiedsabend organisiert. Weil sie schon früh mit dem Trinken anfingen, hatten wir vereinbart, uns um sechs auf den Stufen des Doms zu treffen. Daniela und ich nahmen eine Straßenbahn, die eigentlich an der Piazza Duomo hätte halten sollen. Aber je mehr wir uns dem centro storico näherten, desto mehr staute sich der Verkehr, und wir blieben stecken. Es dauerte nicht lange, bis der Fahrer die Türen öffnete, um etwas frische Luft hineinzulassen. Es war Mitte Juni, und die Abende waren so mild und angenehm, dass man mit kurzen Ärmeln herumlaufen konnte. Hundert Meter weiter befand sich eine große Kreuzung, an der sich trotz mehrerer Ampeln Straßenbahnen, Busse, Autos, Fahrräder, Vespas und Fußgänger nur selten einigen konnten, wer das Kopfsteinpflaster zuerst überqueren darf.
Wegen des Staus wurde gehupt. Italienische Autofahrer machen stets den Wagen dafür verantwortlich, der sich direkt vor ihnen befindet, auch wenn der Stau kilometerlang ist. Straßenbahnen standen sich reglos gegenüber, eine knallorange Schlange, bei der man unmöglich sagen konnte, wo die Nummer 16 aufhörte und die Nummer vier anfing. Vespas schlängelten sich zwischen den Autos hindurch, bis sie ihrerseits widerwillig zum Stillstand kamen. Ein besonders ungeduldiger Fahrer nahm den
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