Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel
sie darauf hingewiesen, sie solle allen europäischen Männern aus dem Weg gehen, denn die seien anfangs durchaus nett und würden sich später als Machos erweisen und als brutale Herrenmenschen.
»Eine typisch koloniale Einschätzung«, kommentierte Rodenstock. Dann fragte er unvermittelt: »Wenn ich das richtig sehe, könnten wir uns aufteilen. Ich laufe mit Emma bei der Hexe Griseldis auf, und Jennifer und Baumeister gehen zu dem Anwalt Meier.«
Wir waren einverstanden, wir teilten uns und verabredeten, uns per Handy zu verständigen. Dann wurden unsere Opfer angerufen, und sie hatten ein wenig Zeit für uns. Die Tändelei war vorbei, die harte Arbeit begann.
Eine Zeitlang zockelte ich hinter Emmas Volvo her, dann wurde mir das zu gemütlich und ich legte etwas an Geschwindigkeit zu.
»Wie geht das jetzt weiter? Wir fragen Leute, die wir fragen können. Und dann?«
»Dann fassen wir einmal am Tag zusammen, was wir haben. Und irgendwann schält sich dann ein Täter heraus, oder mehrere Täter.«
»Und die Polizei?«
»Wir teilen der Polizei mit, an welchem Punkt wir sind. Umgekehrt bekommen wir von der Polizei Hinweise. Auf mögliche Informanten oder mögliche Risiken. Wir nehmen der Polizei keine Recherche ab.«
»Und wo liegt der Unterschied?«
»Eigentlich liegt er im Grund der Recherche. Ich kann nur die journalistische Seite gebrauchen, also das, was anschließend im Blatt steht, was farbig ist, was die Szenerie beschreibt. Bei der Polizei klingt das viel zu sachlich und wissenschaftlich. Wir arbeiten also mit anderen Zielen.«
»Und wie oft passiert das?«
»Vielleicht einmal pro Jahr. Höchstens. Also, dieser Fall ist besonders brisant, weil da zwei Männer getötet wurden, die sich als Schamanen bezeichnet haben und die vollkommen aus der bürgerlichen Norm bei uns herausfallen. Sie sind also seltene Exemplare, wenn du so willst, und sie erregen einfach Neugier. Sie sind etwa im Abstand von vierundzwanzig Stunden getötet worden. Das riecht natürlich nach einem Täter oder einer Tätergruppe.«
»Kann es denn sein, dass es Täter waren, die nichts miteinander zu tun haben?«
»Es ist meine Erfahrung, dass auch das sein kann. Aber wir müssen geduldig sein.«
»Und wie machst du das? Ich meine, für wen arbeitest du?«
»Für ein Magazin. Da habe ich Verbindungen. Ich sage ihnen, wie der Fall voraussichtlich aussieht, was wir erwarten können, und sie entscheiden sich für Ja oder Nein.«
»Und wenn sie Nein sagen?«
»Dann muss ich mich mit anderen in Verbindung setzen. Mit der Konkurrenz. Es ist also wie in jeder Branche.«
»Weshalb sprechen wir jetzt mit diesem Rechtsanwalt?«
»Er hat sich eingeschaltet, als Jakob Stern als ein Verdächtiger im Fall der kleinen Jamie-Lee verhört wurde. Er kümmerte sich darum, als Jakob Stern verhört wurde, es gelang ihm, Stern freizukriegen. Stern hat diesen Rechtsanwalt getroffen, also weiß der Rechtsanwalt unter Umständen, was Stern vorhatte, welche Pläne er hatte, ob er jemanden irgendwo traf, all diese Dinge. Das heißt ganz praktisch, Stern wurde nachmittags gegen 17 Uhr freigelassen und kam dann hierher zurück. Bis zu seinem Tod verging der Rest des Tages Nummer eins, dann der gesamte Tag Nummer zwei. Und am Morgen des Tages drei wurde er tot aufgefunden. Wir müssen also eine zeitliche Spanne von mindestens vierundzwanzig bis zweiunddreißig Stunden schließen. Und da wir immer noch kaum etwas über ihn wissen, dürfte das eine schwierige Aufgabe sein.«
»Ich kann mir immer noch nicht Tante Emma in diesem Beruf vorstellen.«
»Vielleicht ist das Bild falsch, das du von Emma hast. Sie war ihr Leben lang eine knallharte Kriminalistin. Und wenn sie in deiner Familie eine Heilige ist, dann passt das nicht immer zusammen.«
»Und Rodenstock ist so sanft und …«
»Da würde ich zur Vorsicht raten. Rodenstock kann sehr hart sein, genauso hart wie seine Frau.«
»Ich beneide die beiden.« Das klang wie ein langer Seufzer.
Ich fuhr rechts ran, um mir eine Pfeife zu stopfen. Ich wählte eine kleine, sehr massive schwarze von Vauen, die man Opus genannt hatte. Als sie brannte, fuhr ich weiter.
»Ich wollte dann sagen, dass ich ganz blöde reagiert habe«, sagte sie.
»Hast du gar nicht, Weib. Im Grunde hast du ganz normal reagiert, im Grunde ist nur passiert, dass ich dir einen Korb gegeben habe, weil ich nicht anders reagieren konnte. Mach dir keine Gedanken, es ist schon okay so. Es ist nur so aufgeblasen worden, weil du mit Emma
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