Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel
darüber gesprochen hast.«
»Tante Emma ist meine Heilige.«
»Lass das mal lieber sein«, murmelte ich. »Das kann in die Hose gehen. Hast du denn so etwas wie ein Liebesleben?«
Sie schwieg eine lange Weile, dann sagte sie: »Eigentlich nicht. Und das ärgert mich.«
Als wir vor dem Haus ankamen, war es 14 Uhr. Der Rechtsanwalt begrüßte uns und führte uns in das große Wohnzimmer auf der Rückseite des Hauses. Wir bekamen einen Kaffee und ein Wasser, dann setzte er sich und sagte spontan: »Die Geschichte macht mich richtig fertig, ich habe sogar unseren Urlaub verschoben. Stern war ein eigenwilliger Typ, aber dass jemand hingeht und ihn tötet, will mir nicht einleuchten. Was ist mit seinem Freund, diesem Vonnegut? Liegt da der Fall deutlicher?«
»Nein«, sagte ich. »Wir fischen im Trüben, wir haben keine Ahnung. Hat Stern geäußert, dass er Vonnegut treffen will?«
»Hat er nicht. Jedenfalls nicht exakt. Er hat gesagt, er habe viel vor, müsse viele Leute treffen. Und er war stinksauer, dass die Mordkommission ihn zum Verhör geschafft hat. Und ich muss noch einmal betonen, dass dazu kein Grund gegeben war. Das hat der verrückte Kommissionschef zu verantworten.«
»Wollen Sie klagen?«
»Wir wollten. Aber ob das jetzt noch Sinn ergibt, scheint mir fraglich.«
»Können wir jetzt mal ganz pingelig einen Zeitrahmen aufstellen?«
»Klar. Also, ich erreichte, dass Stern um 17 Uhr im Polizeipräsidium in Aachen freigelassen wurde. Ich hatte einen Mann aus der Nachbarschaft hier mit meinem Wagen dorthin geschickt, um ihn abzuholen. Das passierte auch genau um 17 Uhr, ein paar Minuten plus-minus. Als er hier ankam, war es ungefähr 18.15 Uhr. Stern kam herein und heulte fast vor Wut. Er setzte sich hier in einen Sessel, und ich brachte ihm sofort einen Schnaps, weil ich dachte, er müsse erst einmal auf den Boden kommen. Er rührte den Schnaps nicht an. Dann fiel mir ein, dass er eigentlich nie Alkohol trank, oder nur ganz wenig. Das weiß ich von seinen Sommerfesten , zu denen wir immer eingeladen waren. Bei diesen Festen trank er so gut wie nichts, man sah ihn ständig mit einem Glas Wasser herumlaufen.«
»Moment, bitte. Wen lud er denn ein?«
»Also die Nachbarschaft im erweiterten Sinne. Da kamen locker schon mal hundert Personen aus der Gegend zusammen.
Vonnegut war übrigens auch da. Das war vor vier Wochen. Und der Bruder Franz stand wie immer an dem riesigen Grillfeuer und versorgte uns mit Essen. Das macht der richtig genial.«
»Zwischenfrage!«, sagte ich. »Dieser Bruder Franz war ja wohl alkoholgefährdet, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich hatte einen anonymen Telefonanruf. Ein Mann behauptete, er sei Zeuge eines Vorfalls gewesen, der sich irgendwo in der Ortsmitte an einer Bäckerei abgespielt habe. Franz habe betrunken auf einer Bank gesessen, sein Bruder sei mit dem Auto gekommen, wollte den Franz wohl abholen. Dann habe Jakob Stern seinen Bruder geschlagen, und zwar ziemlich brutal ins Gesicht. Dann sei er weggefahren. Wie passt das ins Bild der beiden Brüder?«
»Das passt ziemlich exakt, soweit ich informiert bin. Zwischen den beiden herrschte eine Hassliebe. Seit vielen Jahren. Jakob sagte immer, Franz habe viele Talente und sei ein prima Mensch. Aber dann kamen diese Sauftouren und machten alles kaputt. Dann hakte Franz aus, dann war er nicht mehr zu kontrollieren. Und Jakob flippte dann aus und hatte einen total dicken Hals.«
»Also kein Fall Kain und Abel?«
»Nein, auf keinen Fall, es gab einen Riesenzoff, aber der war nach ein paar Tagen vorbei.«
»Wo ist dieser Bruder jetzt?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, die Mordkommission hat mich das auch schon gefragt.«
»Wie lange war Jakob bei Ihnen, als er aus Aachen abgeholt war?«
»Eine Stunde würde ich schätzen, also bis etwa 19.15 Uhr. Er bat darum, nach Hause gefahren zu werden. Das passierte auch. Zum Essen jedenfalls blieb er nicht, das macht meine Frau gegen 20 Uhr, wenn alle Angestellten aus dem Haus sind.«
»Wie verlief diese Stunde?«
»Er brauchte Zeit, sich zu beruhigen, saß hier und trank einen Kaffee. Er war sich vollkommen klar darüber, dass die Geschichte mit der kleinen Jamie-Lee auf ewig an ihm kleben würde. Und er wusste genau, dass er Neider hat und viele Leute, die seine Art zu leben nicht nachvollziehen konnten und Gerüchte in die Welt setzten. Immer neue Gerüchte, an denen nichts dran war, und die meistens mit seiner Funktion als Schamane zusammenhingen.
Das ist für die
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