Sigi Wulle 2 - Sigi Wulle auf dem Kriegspfad
angegebene Richtung zu laufen. Dort fanden wir gleich eine hohl klingende Stelle, die wir freilegten, und stießen auf eine Kiste, die wir nur mit Mühe aus dem Loch ziehen konnten. Als wir den Deckel öffneten, stellten wir erstaunt fest, daß tatsächlich lauter glitzernder goldener Schmuck, funkelnde bunte Edelsteine und viele Geldscheine drin waren.
„Daß der soviel geklaut hat, weiß man gar nicht!“ flüsterte Onkelchen.
„Der hat sicher weit mehr auf dem Kerbholz, als die Experten annehmen!“ meinte meine Patin.
Plötzlich fiel uns dreien gleichzeitig ein, daß wir den Räuber unbeaufsichtigt zurückgelassen hatten und er ohne weiteres mit ungefesselten Händen die restlichen Lederriemen und den Strick lösen und verduften konnte, während wir vom Schatz bezaubert wurden. Wir rannten zurück, standen einige Augenblicke verwirrt vor dem leeren Sessel, neben dem die Riemen lagen, sprangen dann zum Eingang der Höhle, hinaus in den Steinbruch. Dort gelang es uns gerade noch, Black Joe daran zu hindern, den Gaul zu besteigen, so daß er sich zu Fuß in die Büsche schlagen mußte.
Natürlich versuchten wir ihm zu folgen; doch unsere vollen Bäuche verhinderten hohe Geschwindigkeiten. Meine liebe Patin blieb ohnehin gleich zurück, da sie über zwei Zentner zu schleppen hat, und setzte sich keuchend auf einen Felsblock. Auch Onkel Edi verfügte nicht über die übliche Kondition wegen der vielen Würste, die er sich hineingestopft hatte. So war ich zuletzt ganz allein hinter dem Gesetzlosen her, der schließlich stehenblieb, weil er wußte, daß ihn ein zwölfjähriger Junge nicht überwältigen kann, wenn er noch dazu völlig unbewaffnet ist. Ich zog es vor, aus sicherer Entfernung zu beobachten, was dieser ausgekochte Strolch unternehmen würde.
„Was willst du, Knilch?“ rief er.
„Dir sagen, daß du ein ehrloser Schurke bist!“
„Wieso?“
„Weil du dein Wort gebrochen hast!“
„Nur eine Kriegslist!“
Dann lachte er und befahl mir zu verschwinden, anderenfalls würde er mir ein Loch in den Kopf werfen. Er bückte sich bereits, um Steine vom Boden aufzunehmen. Da drehte ich mich um und wanderte zur Höhle zurück, vor der Onkelchen und Tante besorgt auf mich warteten. Einerseits waren sie beruhigt, als ich bei ihnen eintraf, andererseits aber traurig, weil uns der Bursche letzten Endes doch entwischt war. Aus Niedergeschlagenheit fingen sie an, eine Likörflasche auszutrinken, bis sie wieder fröhlich gestimmt waren und einsahen, daß nicht alles verloren war. Immerhin besaßen wir noch den Schatz des Räubers, und wir nahmen uns vor, ihn unter keinen Umständen an ihn herauszurücken.
„Dann dürfen wir hier nicht allzulange bleiben!“ warnte Onkelchen. „Vielleicht hat er an anderer Stelle Waffen versteckt und könnte uns damit überwältigen und uns die Beute abjagen.“
Wir mußten ihm beipflichten. Ich machte mich deshalb auf, das Pferd im Gestrüpp zu suchen, die Fesseln an seinen Vorderläufen zu lösen und es zur Höhle zu führen, wo es
beladen werden sollte. Mittlerweile schien die Sonne in den Steinbruch herein, und hinter dem Rot und Gelb des Herbstlaubes glänzte das milchige Blau des Himmels, über den die Keile der Zugvögel nach Süden zogen.
Kapitel 19
Hüh!“ rief ich und stieß dem Gaul die Absätze in die Seiten, worauf er sich in Bewegung setzte und gemächlich den Steinbruch verließ.
Hinter mir marschierten meine Patin und Onkel Edi, um darauf zu achten, daß keines der wertvollen Packstücke verlorenging, die vor mir und Strups auf dem Rücken des Pferdes lagen.
Sie wollten auch mich und meine Fracht vor einem Überfall schützen, falls Black Joe uns irgendwo begegnete. Er würde uns sicher nicht bloß „Guten Tag!“ sagen, sondern wäre vielleicht als verzweifelter Krimineller zu einer Kurzschlußhandlung fähig. Das meinte jedenfalls Onkelchen, der ja als Hobby-Detektiv etwas davon verstand.
Leider mußten wir eine Menge in der Höhle zurücklassen, vor allem Eß- und Trinkwaren; doch wir wollten gleich vom Dorf aus Polizisten hinschicken, damit sich der Bandit nicht etwa neu mit Proviant eindeckte und in einem anderen Versteck niederließ, von wo aus er wieder Raubzüge in die Umgebung unternehmen und die Leute ängstigen könnte.
Es war ein schöner Tag, und die Sonne, die manchmal durch das herbstlich gelichtete Blätterdach drang, tat uns wohl. Nach all den Nächten, die wir außerhalb des Bettes verbracht hatten, waren wir ein bißchen
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