Sigi Wulle 4 - Sigi Wulle raecht den Hund X
setzte ihn in seinen Stall. Dann gingen wir mit X durch den Keller ins Haus. Sie waren es tatsächlich, und das Gekicher und Geschrei wurde noch lauter. Dazu küßte mich Patin Berta auch noch ekelhaft oft, was ich verdammt nicht leiden kann. X bellte wie verrückt, während sich Papa und Onkel Edilein begrüßten, als ob sie die allerbesten Freunde wären. Es dauerte lange, bis sich der Lärm ein bißchen gelegt hatte und X zu bellen aufhörte.
„Ist das der Köter?“ fragte Onkelchen .
„Eine Prachtmischung aller Hunderassen“, spottete Papa.
„ Bulldackelmopsiger Pudelspitzpekinesenschlittenhund ?“ kicherte Patin Berta und hielt ihren dicken Bauch, der immer wackelt, wenn sie lacht.
Sie machten sich noch eine Weile über X lustig, der sich aber über so ein Geschwätz grundsätzlich nicht ärgert. Vielmehr wackelte er vergnügt mit dem Schwanz. Dann schlug ich vor, daß wir uns am besten gleich auf den Weg begeben sollten, nur so würden wir noch bei Helligkeit und mit Verstand etwas herauskriegen, denn ich kannte meine lieben Verwandten und vor allem Patin Berta.
Sie keuchte und japste, als wir das Wiesental durchquert hatten und auf der anderen Seite den Wald hinaufstiegen, in den gerade noch die Spätsommersonne brannte, so daß es überall vor Hitze knisterte. Es zirpten auch Grillen im Gras, das größtenteils gelb und trocken war.
Über uns in den Zweigen schimpfte ein Häher über uns Menschen. Wenn wir in der Lage wären, seine Sprache zu verstehen, würden wir uns vielleicht darüber wundern, was er alles für Schimpf und Spott über uns zu sagen weiß. Auf dem sandigen Weg lagen kurze Kiefern- und längere Fichtenzapfen, mit denen man, wenn sie trocken sind, leicht ein Feuer anzünden kann.
Sie keuchte und japste, weil sie ihr eigenes Gewicht von über zwei Zentnern zu schleppen hatte, und Schweißtropfen kullerten über ihr rundes und rotes Gesicht. Deshalb war sie zu-
frieden, als wir die Stelle erreicht hatten, wo X ein klägliches Gebell anstimmte. Zuerst wollte er nicht heranlaufen, weil er vielleicht Angst hatte, wir würden das gleiche mit ihm anstellen wie der verfluchte Verbrecher. Uns Menschen ist eben nie zu trauen, vor allem, wenn man ein Tier ist. Nicht umsonst hauen die meisten lieber ab, wenn sie uns erblicken.
„Das ist der Ast“, sagte ich.
„Hm“, machte Onkel Edilein .
„Er hing damals etwas tiefer.“
„Das Gewicht des Hundes hatte ihn wohl heruntergebogen“, sagte er mit schlauer Miene.
„So konnte er gerade noch auf den Hinterpfoten stehen.“
„Scheußlich!“
„Ein schrecklicher Anblick war das!“
„Habt ihr damals Spuren gesichert?“
„Nein.“
„Weshalb nicht?“
„Es ging uns darum, erst das Leben des Hundes zu retten.“
„Ach ja.“
Darauf krochen Patin Berta, Onkel Eduard und ich im Laub umher. Aber so viel Mühe wir uns auch gaben, es war nichts zu finden. Nicht einmal wir Komantschen hatten Spuren hinterlassen: Der Wind hatte das Laub wieder geordnet, Moos und Grashalme hatten sich wieder aufgerichtet, der Farn hatte sich geschlossen.
„Nichts“, sagte Patin Berta.
„Absolut nichts“, sagte Onkel Eduard und ließ enttäuscht die etwas zu groß geratene Unterlippe herabhängen, wobei er sich am fast kahlen Kopf kratzte.
„Schade“, sagte ich.
„Tja, Sigi“, brummte Onkelchen . „Aber vielleicht findet der Hund eine Spur?“
Wir probierten das ein paarmal, indem ich zu X „such! such!“ sagte. Aber er schnüffelte bloß im Gebüsch herum und bellte wieder aufgeregt und pinkelte an jeden Baumstamm. Er fand auch nichts. Eine Weile standen wir ratlos da. Patin Berta seufzte andauernd, und Onkel Eduard schüttelte den Kopf, wobei die abstehenden Ohren wackelten. Dann blickten sie mich fragend an, was mir ziemlich peinlich war. Schließlich hatte ich sie ja herbestellt, und nun gab es nicht einen einzigen Hinweis auf den verdammten Schurken.
„Ziehen wir los?“ fragte Patin Berta.
„Meinetwegen“, sagte ich traurig.
Onkelchen klopfte mir auf die Schultern und sagte, daß auch er nicht jedes Rätsel lösen könne. Dann machten wir uns auf den Heimweg.
Es war nun nicht mehr so heiß, erstens, weil es bergab ging, und zweitens, weil die Sonne schon langsam unterging und feurig rot über unserem Dorfe stand. Über allem leuchtete ein sanftes Licht, und so sah die Gegend noch schöner aus als sonst. Vielleicht zwitscherten die Vögel deshalb überall vergnügt in den Bäumen und klang das Froschquaken vom Bruch her
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