Sigi Wulle 4 - Sigi Wulle raecht den Hund X
plötzlich auf einer Wiese vor uns hochsprangen und davonrannten. X rannte hinterher. Doch Hasen sind schlau, weil sie mitten im Lauf einen Haken schlagen und in eine andere Richtung hüpfen, während der Hund noch ein Stück geradeaus läuft.
So kriegte der X keinen, er stöberte höchstens mal einen Igel auf. Der rollt sich aber zusammen, bis er nur noch eine stachlige Kugel ist, an der sich ein Hund die empfindliche Nase zerstechen kann. Das passierte dem X auch immer wieder, obwohl er längst hätte Bescheid wissen müssen. Meine Freunde nannten ihn dann Dummkopf, worauf ich sie fragte, ob vielleicht die Menschen schlauer sind, wenn sie zum Beispiel immer wieder Krieg anfangen, obwohl sie doch wissen müßten, was dabei herauskommt, oder wenn sie sich selber Gift spritzen, obgleich sie wissen, daß sie sich damit kaputtmachen.
Manchmal liefen auch Katzen auf den Feldern herum, um Mäuse zu jagen, was ihre Lieblingsbeschäftigung ist. Auf Katzen hatte X eine Stinkwut. Wenn er nur eine entdeckte, sträubte sich sein Haar den ganzen Rücken entlang, und er rannte zu ihr hin. Aber eine Katze fürchtet sich nicht vor einem Hund. Sie macht einen Buckel und funkelt mit den Augen, und wenn sie einem mal mit ihren Krallen die Lefzen aufgerissen hat, ist der bedient und schon zufrieden, wenn er sie eine Weile mit lautem Gebell beschimpfen darf.
Unsere Ausflüge endeten immer damit, daß uns X dahin führte, wo wir hergekommen waren: zu uns nach Hause. Er wußte, daß es dort gutes Futter für ihn gab und ihn niemand quälte und daß er auf seinem Platz neben dem Kachelofen warm und gemütlich ratzen durfte. Deshalb hatte er wohl gar keine Lust mehr, zu seinem früheren Herrn zurückzukehren, der ihn ja nur umbringen wollte.
Einmal war ich allein mit ihm unterwegs. Es war an einem Sonntagnachmittag. Da müssen meine Komantschen meist daheim bleiben, weil eventuell die Oma oder irgendein Onkel Kunibert zu Besuch kommt. Ich führte den X an einer Leine, weil er mir schon manchmal abgehauen war. Plötzlich hob er die Nase und schnüffelte in der Luft. Dann zog er mich schnurstracks in die Richtung, wo der Grillenhügel liegt. Aha, dachte ich und freute mich schon, weil er so munter lief und immer wieder den Kopf hob, um zu schnuppern, jetzt geht’s endlich voran!
Aber wir gelangten nur zum Campingplatz, um den sie einen hohen Zaun drum herum gezogen haben, damit kein Einheimischer zu den Städtern hineinsteigt und sie vielleicht stört in ihren Wohnwagen oder Zelten. Dort leben sie während der Ferien und manche auch an Wochenenden. Sie sind glücklich, wenn sie ein paar Bäume erblicken dürfen oder eine Landschaft riechen, auf die ein Bauer gerade seinen Mist gefahren hat. Die meisten von ihnen verstehen bloß Hochdeutsch, wie zum Beispiel der Junge, der innen am Zaun stand mit einem ganz feinen Pudel.
Die beiden Hunde sind gleich aufeinander losgegangen. Weil aber der Maschendraht dazwischen war, haben sie sich nicht gekriegt, sondern nur geknurrt und gebellt. Da lachte der hochdeutsche Pinkel und rief: „Ein Glück für deinen Köter!“
„Wieso?“ fragte ich.
„Weil meiner ihm sonst das Fell runterreißen würde.“
Ich lachte bloß verächtlich und fragte, weshalb sie ihm an manchen Stellen das Fell abscheren und an anderen nicht und weshalb sie ihm den Schwanz aboperiert hätten, dem erbärmlichen Viech. Bei uns würde man nur die Schafe scheren und Schwänze überhaupt nicht abschneiden.
Da meinte er überheblich, daß so ein blöder Bauernlümmel wie ich eben kein Gefühl für Schönheit besitze.
„Vielleicht“, sagte ich, „aber dafür packt mein Hund deinen frisierten Stenzen wie nichts, du hochdeutsches Großmaul.“
Wir beschimpften uns noch eine Weile, und er ärgerte sich blau, weil wir auf dem Land viel bessere Schimpfwörter haben als die in der Stadt. Ich kann sie leider nicht aufschreiben, sonst wird dieses Buch nicht gedruckt. „Komm doch mal raus!“
„Ich darf leider nicht.“
„Wohl weil du ein Hosenscheißer bist!“
„Na warte!“
Nun hatte ich ihn soweit. Er rannte zwischen den Zelten und Wohnwagen hindurch zum Ausgang. Ich wartete an der Ecke, bis er herankam, damit ihm die anderen Hochdeutschen nicht so leicht helfen konnten. Als er etwa zehn Meter heran war, ließ ich den X los und er seinen Pudel. Die Hunde fuhren auch gleich aufeinander los — aber nicht um zu beißen, sondern um miteinander zu spielen. Da war ich enttäuscht. Deshalb rempelte ich den Städter an und
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