Sigi Wulle 4 - Sigi Wulle raecht den Hund X
!“
„Wer bitte?“
„Der Wao !“
Als der Hund diesen Namen hörte, bellte er nicht mehr, sondern wedelte mit dem Schwanz. Der Mann bückte sich.
„Komm, Wao !“
Da lief der Hund zu ihm hin und ließ es zu, daß der Mann ihn streichelte und ihn hinter den Hängeohren kraulte.
„Oh!“ rief ich erstaunt. „Sie kennen ihn?“
„Der wohnte doch hier“, sagte der Mann und deutete auf das Haus, das der Hund angebellt hatte. „Bei der alten Mathilde wohnte der.“
„Aber die sagt, sie kenne ihn nicht, sie sei neu zugezogen.“
„Die du meinst, ist ja auch nicht die Mathilde.“
„Wer sonst?“
„Vorher wohnte da die Mathilde Baum drin.“
„Und ihr gehörte der...?“
„...der Wao !“
„Und wo lebt diese Frau jetzt?“
„Weiß der Teufel!“
Dann fragte der Opa, und blies mir dabei eine Tabakwolke ins Gesicht, wie ich zu dem Wao gekommen sei. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte in kurzen Worten und auch, daß ich den Lumpen unbedingt fangen wolle.
„Da hast du recht!“ sagte er und klopfte mir ziemlich fest auf die Schulter. „Und ich will dir dabei helfen, so gut ich kann, denn ich hasse diesen Fleck!“
„Fleck?“
„So heißt der Schwiegersohn der Baum.“
„Was ist mit dem?“
„Der könnte es getan haben.“
„Wieso?“
„Der ist zu allem fähig.“
Eine Weile stand er da, guckte mich an und paffte mir Tabakwolken um die Ohren. Dann lud er mich ein, mit ihm in seinen Garten zu gehen, wo er mir alles erzählen wolle. Ich zögerte, weil mir einfiel, wie gefährlich es ist, einen fremden Erwachsenen zu begleiten. Jedes Jahr werden soundso viele Kinder und Jugendliche mißhandelt oder umgebracht, wenn sie sich dazu überreden lassen, und das können solche Verbrecher besser, als ein Junge oder ein Mädchen glaubt.
Der Opa merkte es und lachte und fand, daß ich mich richtig verhalte, aber ich bräuchte wirklich keine Befürchtung zu haben. Sicher sei ich stärker als er, da sein linker Arm fast gelähmt sei, und außerdem würde mir der Wao gewiß helfen.
Also gingen wir in seinen Garten, der schöner als die anderen war. Es standen Obstbäume darin voller Birnen, Äpfel und Zwetschgen und eine Voliere, in der bunte Vögel herumflatterten und fröhlich zwitscherten. Er sagte, daß er solche züchte, weil ein alter Mensch auch eine Beschäftigung brauche, an der man seinen Spaß hat, und nicht nur ein junger Mensch. Dann setzten wir uns an einen Tisch unter einen Nußbaum , und er rief seiner Schwiegertochter zu, sie solle eine Flasche
Bier und zwei Gläser bringen, was diese tat. Sie trug auch noch eine Schüssel Wasser für den Wao herbei, weil ein Hund Bier nicht gern trinkt.
Wir prosteten einander zu und tranken. Danach fragte er, wie ich heiße.
„Sigi Wulle “, sagte ich.
„Gut, Sigi Wulle , jetzt will ich dir mal die traurige Geschichte deines Hundes Wao erzählen.“
Eine traurige Geschichte
D rüben in dem Haus, das der Wao wiedererkannt hat, wohnte Familie Baum. Erich war ein Freund von mir gewesen. Wir hatten in der gleichen Kohlengrube gearbeitet. Eines Tages wurde er von einem herabfallenden Felsbrocken erschlagen.
Mathilde Baum, die Witwe, sorgte gut für ihre Bäumchen. Zwei Jungen, die ältesten, schickte sie auf Schulen in der Stadt. Beide sind feine Leute geworden: Der eine ist Werksleiter in einer Fabrik, der andere hat sogar studiert. Leider wollen sie nicht allzuviel oder vielleicht gar nichts mehr von ihrer Mutter wissen, die eine einfache Frau geblieben ist, Hühner gehalten und Gemüse angepflanzt hat.
Als einzige wohnte schließlich Trine zu Hause. Auch sie fuhr zur Stadt, um die Schule zu besuchen. Aber da klappte es plötzlich nicht mehr. Sie geriet in schlechte Gesellschaft.“
Der Alte nickte nachdenklich, klopfte die Pfeife aus und stopfte sie wieder mit Tabak, den er mit einem Streichholz ansteckte.
„Eines Tages schleppte sie einen niedlichen Hund an, den sie behalten wollte. Es handelte sich um einen Bastard. Seine Mutter war eine schwarze Schäferhündin gewesen, die eine Fabrik zu bewachen hatte. Da das Werkgelände von einem hohen Zaun umgeben war, konnte kein noch so stattlicher Freier zu ihr gelangen. Nur einem mickerigen Dackel gelang es, unter der Umzäunung hindurchzuschlüpfen .
Zwei Monate später wurden vier Welpen geboren, die alle die krummen Beine und herabhängenden Ohren ihres Vaters und den kräftigen Körper und das pechschwarze Fell der Mutter geerbt hatten. Die Leute von der Fabrik wollten die
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