Sigma Force 01 - Sandsturm
Werkzeugstapel.
Safia trat schützend einen Schritt vor. »Kara, warte. Weißt du denn nicht, was für eine Statue das ist?«
»Was meinst du damit?«
»Schau sie dir genau an. Das ist die Statue, die dein Vater entdeckt hat. Die vor diesem Grab in Salalah vergraben war. Wir müssen versuchen, sie zu erhalten.«
»Ist mir egal.« Kara schob sie mit dem Ellbogen weg. »Wichtig ist nur, dass da drunter ein Hinweis darauf sein könnte, was mit meinem Vater passiert ist.«
Safia versuchte, sie beiseite zu ziehen, und sprach leise auf sie ein. »Kara … glaubst du wirklich, dass das hier etwas mit dem Tod deines Vaters zu tun hat?«
Kara winkte einem der Männer mit den Brechstangen. »Geben Sie mir eine.«
Safia blieb, wo sie war. Sie ließ den Blick durch die anderen Säle der Galerie schweifen und betrachtete nun alles in einem neuen Licht. Ihre ganze Arbeit, die Sammlung, die Jahre des Studiums und der Recherche – war das für Kara mehr als nur eine Gedenk-Stätte an Reginald Kensington? War es auch eine Mission gewesen? Alle Fundstücke und Rechercheergebnisse an einem Ort zu versammeln, um herauszufinden, was vor so langer Zeit in der Wüste mit ihrem Vater passiert war?
Safia dachte an eine Geschichte aus ihrer Jugend, eine Geschichte, die unter vielen Tränen erzählt wurde. Kara war überzeugt gewesen, dass ihrem Vater etwas Übernatürliches passiert sei. Safia kannte die Einzelheiten.
Die nisnases … die Geister der tiefen Wüste.
Noch als junge Mädchen waren sie und Kara diesen Geschichten nachgegangen und hatten alles, was sie konnten, über die Mythologie der nisnases in Erfahrung gebracht. Legenden besagten, sie seien alles, was noch übrig sei von einem Volk, das einst eine riesige Stadt in der Wüste bewohnt hatte. Sie hatte viele Namen: Iram, Wabar, Ubar. Die Stadt der tausend Säulen. Berichte über ihren Niedergang finden sich im Koran, in den Erzählungen der Arabischen Nächte und in den Alexander-Büchern. Gegründet von den Urenkeln des biblischen Noah, war Ubar eine reiche und dekadente Stadt, voller verruchter Menschen, die sich in dunklen Praktiken versuchten. Ihr König schlug die Warnungen eines Propheten namens Hud in den Wind, und Gott bestrafte die Stadt, indem er sie in den Sand trieb, auf dass sie nie wieder zu sehen sei, ein Atlantis der Wüste. Danach hielten sich Geschichten, dass die Stadt unter dem Sand noch immer existiere, bevölkert von den Toten, die Einwohner zu Stein erstarrt, die Ränder heimgesucht von bösen Dschinns und noch schlimmeren nisnases , wilden Kreaturen mit magischen Kräften.
Safia hatte immer gedacht, Kara hätte solche Mythen als reine Hirngespinste abgetan. Vor allem, als die Ermittler den Tod ihres Vaters mit der plötzlichen Öffnung eines Schlundlochs in der Wüste erklärten. Solche Todesfallen tauchten in der Region relativ häufig auf und verschluckten allein fahrende Transporter oder achtlose Wanderer. Das Muttergestein unter der Wüste war vorwiegend Kalkstein, ein poröses Gestein, durchsetzt von Kavernen, die das sinkende Grundwasser ausgewaschen hatte. Es kam häufig vor, dass solche Kavernen zusammenbrachen, und begleitet wurde ein solcher Einsturz genau von jenem Phänomen, das Kara beschrieben hatte: ein dicke, heftig wabernde Staubsäule über einem Strudel aus wirbelndem Sand.
Ein paar Schritte entfernt griff Kara nach einer Brechstange, und es sah so aus, als wollte sie mit ihrer Kraft dazu beitragen, den Stein anzuheben. Offensichtlich hatte die Erklärung der Geologen sie damals nicht überzeugt.
Safia hätte es sich eigentlich denken sollen, vor allem angesichts von Karas Beharrlichkeit in ihrer Beschäftigung mit dem alten Arabien, nutzte sie doch ihre Milliarden, um in der Vergangenheit zu wühlen, um Artefakte aus allen Epochen zu sammeln und um die besten Spezialisten zu engagieren, darunter auch Safia.
Sie schloss die Augen und fragte sich, wie viel von ihrem eigenen Leben von diesem sinnlosen Streben beeinflusst worden war. Welchen Einfluss hatte Kara bei ihrer, Safias, Studienwahl gehabt? Auf ihre Forschungsprojekte hier? Sie schüttelte den Kopf. Im Augenblick überstieg das ihr Begriffsvermögen. Sie würde sich später damit auseinander setzen.
Sie öffnete die Augen und stellte sich vor die Statue, um den anderen den Weg zu versperren. »Ich kann das nicht zulassen.«
Kara winkte sie beiseite, und als sie sprach, klang ihre Stimme klar und logisch. »Wenn da drunter tatsächlich ein Stück vom Meteoriten
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