Sigma Force 01 - Sandsturm
Der Saal war für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, sondern wurde von der Abteilung für den alten Nahen Osten als Studienzentrum und Reservearchiv benutzt.
Doch heute diente er, bevölkert nur von wenigen Auserwählten, als provisorisches Leichenschauhaus. Kara schaute quer durch den Raum zu dem steinernen Kadaver hinüber, der kopflos und armlos auf einer Rollbahre lag. Das war alles, was von der uralten Skulptur, die im Nordflügel gestanden hatte, noch übrig war. Safia hatte darauf bestanden, dass man sie aus dem Schutt barg und hierher brachte, sodass sie nicht noch weiter beschädigt wurde.
Zwei Halogenlampen bestrahlten die Figur, eine Ansammlung von Instrumenten lag auf einer Bibliotheksbank gleich daneben, die dadurch aussah wie ein Chirurgentisch mit Skalpellen, Klammern und Pinzetten. Es gab aber auch Hämmer verschiedener Größe sowie Pinsel und Bürsten.
Nur der Chirurg fehlte.
Safia zog sich Gummihandschuhe über. Sie trug eine Schutzbrille und eine eng geschnürte Schürze. »Fertig?«
Kara nickte.
»Dann wollen wir dem Alten mal die Brust öffnen«, sagte ein junger Mann mit dem üblichen drastischen Enthusiasmus eines Amerikaners. Kara, die engen Kontakt hielt mit allen, die in ihrer Galerie arbeiteten, kannte Clay Bishop, einen Doktoranden, der von der Northwestern University kam. Er montierte eben einen digitalen Camcorder auf ein Stativ, denn er sollte als Kameramann des Teams fungieren.
»Ein wenig Respekt, Mr. Bishop«, tadelte ihn Safia.
»’tschuldigung«, sagte er mit einem Grinsen, das sein Bedauern Lügen strafte. Für ein hageres Exemplar der Generation X sah er nicht schlecht aus. Er trug Jeans, ein altes T-Shirt mit einem Foto von Clash und Reeboks, die früher vielleicht einmal weiß gewesen waren. Er richtete sich auf und streckte sich, zeigte dabei ein Stück nackten Bauch und fuhr sich mit der Hand über seine Stoppelfrisur. Der einzige Hinweis auf den Studierfleiß des promovierenden Studenten war die dicke, schwarz gerahmte Brille, die so uncool war, dass sie schon wieder chic wirkte. »Wir sind so weit, Dr. al-Maaz.«
»Sehr gut.« Safia stellte sich unter die Halogenlampen, direkt neben die vorbereiteten Instrumente.
Kara kam vom anderen Ende des Raums dazu und stellte sich neben den einzigen anderen Beobachter der Autopsie: Ryan Fleming, den Sicherheitschef. Offensichtlich war er gekommen, als sie auf der Toilette war. Er nickte ihr zu, doch seine Haltung verkrampfte sich, als sie zu ihm kam, denn ihre Anwesenheit machte ihn nervös, wie die meisten Angestellten des Museums.
Er räusperte sich, als Safia anfing, die Statue zu vermessen. »Ich bin gleich gekommen, als ich von der Entdeckung hörte«, flüsterte er Kara zu.
»Und warum?«, fragte sie. »Betrifft das in irgendeiner Weise die Sicherheit?«
»Nein, einfach nur aus Neugier.« Er nickte in die Richtung der Skulptur. »Eine Statue mit einem Herzen im Inneren finden wir nicht jeden Tag.«
Das stimmte wirklich, doch Kara vermutete, dass Fleming eine ganz andere Herzensangelegenheit hierher gelockt hatte. Sein Blick hing mehr an Safia als an der merkwürdigen Statue.
Kara gestattete ihm seine etwas verklemmte Verliebtheit und konzentrierte sich wieder auf die liegende Skulptur. Unter der gläsernen Schale leuchtete ein dunkleres Rot im Schein der Strahler auf.
Ein Herz, ein menschliches Herz.
Sie beugte sich über die Statue. Das Herz wirkte zwar lebensgroß und anatomisch korrekt, doch es musste aus irgendeinem Erz gegossen worden sein, da die Metalldetektoren des forensischen Teams es aufgespürt hatten. Dennoch erwartete Kara fast, es schlagen zu sehen, wenn sie nur lange genug hinschaute.
Safia beugte sich nun mit einem Werkzeug mit Diamantspitze über die Statue. Sorgfältig ritzte sie das Glas, sodass um das Herz herum ein perfektes Quadrat entstand. »Ich will so viel wie möglich erhalten.«
Jetzt drückte sie einen Saugheber auf das Glasquadrat und umfasste den Griff. »Ich gehe davon aus, dass die Verbindung zwischen dem Glas und dem Sandstein darunter nur schwach ist.«
Safia griff zu einem Gummihammer und klopfte entschlossen an den Rändern des Quadrats entlang. Kleine Risse zeigten sich entlang der geritzten Linien. Bei jedem Knacken zuckten die Zuschauer zusammen. Sogar Kara merkte, dass sie die Hände zu Fäusten ballte.
Nur Safia blieb ruhig. Kara wusste, wie leicht ihre Freundin in Stresssituationen in Panik geriet, aber wenn Safia in ihrem ureigensten Bereich arbeitete, war
Weitere Kostenlose Bücher