Sigma Force 02 - Feuermönche
sind Sie mit dem Monsignore verwandt? «
» Das ist mein Onkel. «
Der junge Mann nickte und fasste sich gleich wieder. » Verzeihung. Ich hatte lediglich einen Carabinieri-Offizier erwartet. « Er bedeutete ihr, ihm zu folgen. » Ich bin Student und helfe Monsignore Verona an der Greg. «
Rachel nickte. Die meisten Studenten ihres Onkels verehrten ihn. Er war der Kirche treu ergeben, hatte sich jedoch einen unbestechlichen wissenschaftlichen Blick bewahrt. An seiner Bürotür hing ein Schild mit der gleichen Inschrift, die einmal Piatos Eingang geziert hatte: Wer die Geometrie nicht kennt, hat hier keinen Zutritt.
Rachel betrat den Palast. Bald darauf verlor sie die Orientierung. Bislang war sie ein einziges Mal hier gewesen, und zwar als ihr Onkel zum Direktor des päpstlichen Instituts für christliche Archäologie ernannt worden war. Bei dieser Gelegenheit hatte sie auch an einer Privataudienz beim Papst teilgenommen. Der Palast mit seinen fünfhundert Räumen, tausend Treppen und zwanzig Höfen hatte jedoch gigantische Ausmaße. Im Moment wandten sie sich nicht nach oben, wo der Papst residierte, sondern nach unten.
Sie hatte keine Ahnung, weshalb sich ihr Onkel ausgerechnet hier mit ihr treffen wollte. War etwas gestohlen worden? Wenn ja, warum hatte er dann nicht am Telefon darüber sprechen wollen? Andererseits war sie sich der strikten Geheimhaltung des Vatikans wohl bewusst. Die war eisernes Gesetz, per Heilige Stuhl verstand sich darauf, seine Geheimnisse zu wahren. Schließlich gelangten sie zu einer kleinen, unauffällige n T ür.
Jacob machte ihr auf.
Rachel trat in einen kafkaesken Raum. Er war steril beleuchtet, lang und schmal. Graue Aktenschränke und Ablagen reichten bis zur hohen Decke. An einer Wand lehnte eine lange Bibliotheksleiter, die nötig war, um die obersten Fächer zu erreichen. Obwohl es makellos sauber war, roch es doch nach Staub und Alter.
» Rachel! «, rief ihr Onkel. Er stand bei einem Priester, der in der Ecke am Schreibtisch saß, und winkte sie zu sich. » Du hast dich wirklich beeilt, meine Liebe. Andererseits weiß ich ja aus eigener Erfahrung, wie du fährst. Alles glimpflich abgelaufen? «
Rachel näherte sich lächelnd dem Schreibtisch. Ihr fiel auf, dass ihr Onkel nicht wie üblich mit Jeans, T-Shirt und Strickjacke bekleidet war, sondern dem Anlass entsprechend mit einer schwarzen Soutane mit purpurrotem Besatz und roten Knöpfen. Er hatte sich sogar das angegraute Haar geölt und den Spitzbart sorgfältig getrimmt.
» Das ist Vater Torres «, sagte ihr Onkel. » Der offizielle Hüter des Gebeins. «
Der ältere Mann erhob sich. Er war klein und untersetzt, ganz in Schwarz gekleidet und trug einen Amtskragen. Der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht. » Den Titel Reliquienhüter ziehe ich vor. «
Rachel musterte die Ablageschränke. Vom Reliquienlager des Vatikans hatte sie bereits gehört, war aber noch nie hier gewesen. Sie unterdrückte ihren aufwallenden Abscheu. In den Schubladen und Regalen waren Gebeine und Körperteile von Märtyrern und Heiligen verstaut, Fingerknochen, Haarschnipsel, Gläschen mit Asche, Kleidungsfetzen, mumifizierter Haut, Fingernägeln, Blut. Nur wenigen Menschen war bekannt, dass kanonischem Recht zufolge jeder katholische Altar mit einer heiligen Reliquie ausgestattet sein musste. Und da in der ganzen Welt ständig neue Kirchen und Kapellen geweiht wurden, war es die Aufgabe dieses Priesters, Knochen und andere Überreste verschiedener Heiliger zu verpacken und zu verschicken.
Rachel hatte die Obsession der Kirche für Reliquien noch nie verstanden. Ihr war sie eher unheimlich. Rom aber war randvoll davon. Hier gab es einige der spektakulärsten und wertvollsten Reliquien: Maria Magdalenas Fuß, die Stimmbänder des heiligen Antonius, die Zunge des heiligen Johannes Nepomuk, die Gallensteine der heiligen Klara. Selbst der komplette Leichnam des heilig gesprochenen Papstes Pius X. lag in Bronze eingeschlossen im Petersdom. Am unheimlichsten aber war eine Reliquie, die in einem Schrein in Calcata verwahrt wurde: die mutmaßliche Vorhaut Jesu Christi.
Rachel fand ihre Stimme wieder. » Wurde … wurde irgendwas entwendet? «
Onkel Vigor hob die Hand. » Jacob, vielleicht könnten Sie uns Cappuccino holen. «
» Gern, Monsignore. «
Onkel Vigor wartete, bis Jacob die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann sah er Rachel an. » Hast du schon vom Massaker in Köln gehört? «
Die Frage traf Rachel unvorbereitet.
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