Sigma Force 02 - Feuermönche
Sie war den ganzen Tag beschäftigt gewesen und hatte keine Gelegenheit gehabt, Nachrichten zu sehen, trotzdem hatte sie von den mitternächtlichen Morden in Deutschland bereits gehört, wenn auch nur in groben Zügen.
» Nur in den Radionachrichten «, antwortete sie.
Er nickte. » Die Kurie wurde vor den Nachrichtenagenturen informiert. Achtundvierzig Menschen wurden getötet, darunter auch der Kölner Erzbischof. Die genauen Todesumstände allerdings werden der Öffentlichkeit bislang noch vorenthalten. «
» Warum das? «
» Einige Personen wurden erschossen, die Mehrzahl aber anscheinend mit Strom exekutiert. «
» Mit Strom? «
» Das hat jedenfalls die Voruntersuchung ergeben. Die Autopsieberichte stehen noch aus. «
» Mein Gott. Wie …? «
» Darauf gibt es noch keine Antwort. In der Kathedrale wimmelt es derzeit von allen möglichen Spezialisten: von Kriminologen, Forensikern und sogar Elektrikern. Das deutsche BKA ist vor Ort, Terroristenexperten von Interpol und Ermittler von Europol. Da das Verbrechen jedoch in einer römischkatholischen Kathedrale verübt wurde, also auf heiligem Boden, hat der Vatikan die Omerta ausgerufen. «
» Er hat Stillschweigen verordnet? «
Ihr Onkel brummte zustimmend. » Die Kirche kooperiert mit den deutschen Behörden, schränkt aber auch den Zugang ein, damit das Ganze nicht zum Zirkus wird. «
Rachel schüttelte den Kopf. » Aber warum hast du mich angerufen? «
» Bislang deutet alles darauf hin, dass es ein einziges Motiv gab. Der goldene Reliquienschrein der Kathedrale wurde aufgebrochen. «
» Der Schrein wurde gestohlen. «
» Nein, keineswegs. Der Schrein aus massivem Gold wurde zurückgelassen. Ein Kunstwerk von unschätzbarem Wert. Nur dessen Inhalt wurde gestohlen. Die Reliquien. «
Vater Torres schaltete sich ein. » Das waren nicht irgendwelche Reliquien, sondern die Gebeine der Magi. «
» Magi … du meinst die drei biblischen Weisen aus dem Morgenland? « Rachel konnte ihre Skepsis nicht verbergen . » Man hat die Gebeine gestohlen, den Schrein aber zurückgelassen. Der würde auf dem Schwarzmarkt doch einen viel höheren Preis erzielen als die Reliquien. «
Onkel Vigor seufzte. » Auf Ersuchen des Staatssekretärs bin ich hierher gekommen, um mich über die Herkunft der Gebeine kundig zu machen. Sie haben eine schillernde Vergangenheit. Die Knochen wurden von der eifrig Reliquien sammelnden heiligen Helena, der Mutter Kaiser Konstantins, nach Europa gebracht. Konstantin hat als erster christlicher Kaiser seine Mutter mit dem Auftrag, Reliquien zu sammeln, auf Pilgerfahrt geschickt. Die berühmteste ist natürlich das wahre Kreuz Christi. «
Rachel hatte die Kirche zum Heiligen Kreuz von Jerusalem draußen auf dem Lateranhügel besucht. In einem Hinterzimmer waren hinter Glas die berühmtesten Reliquien ausgestellt, welche die heilige Helena gesammelt hatte: ein Balken vom wahren Kreuz, ein Nagel, mit dem Christus gekreuzigt worden war, und zwei Dornen seiner Schmerzenskrone. Über die Echtheit der Reliquien herrschte Uneineinigkeit. Die meisten glaubten, die heilige Helena sei betrogen worden.
Ihr Onkel fuhr fort: » Nur die wenigsten wissen jedoch, dass Königin Helena weiter als bis nach Jerusalem gereist ist und unter mysteriösen Umständen einen großen Steinsarkophag erworben hat, der angeblich die Leichname der Heiligen Drei Könige enthielt. Diese Reliquien wurden zunächst in einer Kirche in Konstantinopel aufbewahrt, gelangten nach dem Tod Konstantins aber zur Basilika von Mailand. «
» Aber du hast von Deutschland gesprochen … «
Ihr Onkel hob die Hand. » Im zwölften Jahrhundert plünderte der deutsche Kaiser Friedrich Barbarossa Mailand und raubte die Reliquien. Die näheren Umstände liegen im Dunkeln. Alle Versionen der Ereignisse aber laufen darauf hinaus, dass die Reliquien zu guter Letzt in Köln gelandet sind. «
» Und da waren sie bis heute Nacht «, setzte Rachel hinzu.
Vigor nickte.
Rachel schloss die Augen. Keiner der beiden Männer störte sie bei ihren Überlegungen. Sie hörte, wie die Tür aufging, behielt die Augen aber zu, da sie ihren Gedankengang nicht unterbrechen wollte.
» Und die Toten? «, fragte sie schließlich. » Warum hat man die Gebeine nicht gestohlen, als die Kirche leer war? Das muss als direkter Angriff auf die Kirche gemeint gewesen sein. Di e G ewaltanwendung gegen die Gläubigen lässt auf das Nebenmotiv Rache schließen – das war kein bloßer Raub. «
» Ausgezeichnet «,
Weitere Kostenlose Bücher