Sigma Force 02 - Feuermönche
Petersplatzes.
Wie gewöhnlich wurde ihr Blick magisch vom Petersdom angezogen, der über dem Grab des Märtyrers errichtet worden war. Die von Michelangelo entworfene Kuppel war die höchste Erhebung von ganz Rom. Zu beiden Seiten beschrieben Berninis Kolonnaden weite Bogen, die den ganzen ovalen Platz einfassten. Bernini zufolge sollten die Kolonnaden die weit geöffneten Arme des Heiligen Petrus darstellen, mit denen er die Gläubigen umfangen wolle. Auf den Kolonnaden thronten einhundertvierzig Heilige und schauten auf das Spektakel herab.
Und was für ein Spektakel das war.
Neros ehemaliger Zirkus war immer noch ein Zirkus.
Es herrschte ein Stimmengewirr aus Französisch, Arabisch, Polnisch, Hebräisch, Niederländisch, Chinesisch. Besichtigungsgruppen sammelten sich wie Inseln um ihre Fremdenführer; Touristen legten einander die Arme um die Schultern und ließen sich mit einem gezwungenen Lächeln fotografieren, die Bibel in der Hand, den Kopf im Gebet geneigt. Eine kleine Gruppe koreanischer Bittsteller kniete auf dem Pflaster, alle gelb gekleidet. Scharen von Souvenirhändlern fielen über die Besuchermassen her; sie verkauften Münzen mit dem Konterfei des Papstes, parfümierte Rosenkränze und geweihte Kruzifixe.
Als Rachel die andere Seite des Platzes erreicht hatte, näherte sie sich einem der fünf Eingänge zum Hauptkomplex. Die Porta Sant ’ Anna. Der kürzeste Weg zu ihrem Ziel.
Sie wandte sich an einen Vertreter der Schweizergarde. Wie für dieses Tor typisch trug er eine dunkelblaue Uniform mit weißem Kragen und ein schwarzes Barett. Er ließ sich ihren Namen geben, überprüfte ihren Ausweis und musterte sie von oben bis unten, als könnte er nicht glauben, dass er einen Carabinieri-Leutnant vor sich hatte. Da alles seine Ordnung hatte, leitete er sie an einen Vertreter der Vigilanze, der Vatikanpolizei, weiter, der ihr einen eingeschweißten Passierschein überreichte.
» Führen Sie den immer mit sich «, sagte der Polizist.
Mit dem Passierschein bewaffnet folgte sie dem Besucherstrom, der sich durchs Tor und die Via del Pellegrino entlangwälzte.
Der größte Teil des Stadtstaates war für Besucher gesperrt. Zugänglich waren der Petersdom, die Vatikanischen Museen und der Park. Zum Betreten des Rests des über hundert Morgen großen Gebiets brauchte man eine Sondergenehmigung.
Ein Teil aber war für die allermeisten verbotenes Gebiet: der Päpstliche Palast, der Wohnsitz des Papstes.
Ihr Ziel.
Rachel schritt zwischen den gelben Backsteinunterkünften der Schweizergarde und den grauen Mauern der St.-Anna -K irche einher. Hier war von der Majestät des heiligsten aller Staaten nichts zu spüren; das war einfach nur ein von Passanten wimmelnder Gehsteig mit einer Autoschlange daneben; der Verkehr in der Vatikanstadt stockte. Sie kam an der päpstlichen Druckerei und der Post vorbei und näherte sich dem Eingang des Päpstlichen Palastes.
Rachel musterte das graue Backsteingebäude. Es sah mehr nach nüchternem Regierungsbau aus als nach Heiligem Stuhl. Das Äußere trog jedoch, sogar das Dach. Es wirkte trist und flach. Unauffällig. Rachel aber wusste, dass es auf dem Dach einen verborgenen Garten gab, mit Springbrunnen, Spalieren und gepflegten Sträuchern. Alles war hinter einem falschen Dach versteckt, das seine Heiligkeit vor neugierigen Blicken und den Zielfernrohren potenzieller Attentäter außerhalb des Vatikans schützte.
Für Rachel war dies das Sinnbild des Vatikans: geheimnisvoll, verschwiegen, sogar ein wenig paranoid, doch im Wesentlichen ein Ort reiner Schönheit und Frömmigkeit.
Vielleicht traf das auch auf sie zu. Obwohl sie eigentlich eine abgefallene Katholikin war und nur in den Ferien zur Messe ging, hatte sie sich doch einen Glaubenskern bewahrt.
An der Sicherheitsschleuse vor dem Palast musste Rachel ihren Passierschein dreimal der Schweizergarde vorzeigen. Sie fragte sich, ob das vielleicht eine Anspielung auf die dreimalige Verleugnung Christi durch Petrus war.
Schließlich gestattete man ihr, den eigentlichen Palast zu betreten. Ein amerikanischer Priesterschüler namens Jacob erwartete sie bereits. Er war ein drahtiger Mann Mitte zwanzig, mit schütterem blondem Haar und bekleidet mit schwarzer Leinenhose und weißem Hemd, das bis oben hin zugeknöpft war.
» Wenn Sie mir bitte folgen würden. Ich soll Sie zu Monsignore Verona bringen. « Er sah zweimal auf ihren Passierschein und geriet vor Überraschung ins Stottern. » Leutnant Verona? Sind …
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