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Signum - Die verratenen Adler

Signum - Die verratenen Adler

Titel: Signum - Die verratenen Adler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roemling
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schauten sich Caius und seine Mutter ratlos an. Caius war niedergeschlagen under schämte sich, weil ihn nicht nur die Sorge um seinen Vater bedrückte. Gerade noch war er voller Vorfreude auf sein bevorstehendes Abenteuer gewesen, jetzt schien alles in weite Ferne gerückt.
    Ob sein Vater jemals wieder gesund genug für die Strapazen einer solchen Reise sein würde, stand in den Sternen, zumal seine Aufgabe in Germanien mit den Empfehlungen des Arztes beim besten Willen nicht zu vereinbaren war.
    Als Tullia den Raum verlassen hatte, um den Sklaven einige Anordnungen zu geben, winkte Quintus seinen Sohn zu sich heran. Caius nahm auf dem Rand der Kline Platz und legte seinem Vater die Hand auf die Schulter. Quintus wirkte nicht mehr verwirrt, und seine Stimme war kräftiger als zuvor, wenn er auch immer noch etwas undeutlich sprach. »Es gibt keinen Grund, warum
du
nicht fahren solltest«, sagte er. Es klang entschlossen.
    Caius war hin und her gerissen. Er spürte, dass etwas in ihm gehofft hatte, sein Vater würde so etwas sagen. Gleichzeitig fühlte er sich verpflichtet zu widersprechen. Konnte er seinen kranken Vater zurücklassen?
    Quintus nahm ihm die Antwort ab. »Du kannst hier nichts für mich tun, ich bin in guten Händen. Also widersprich nicht. Fahr. Der Schwager einer Cousine von mir ist Tribun im Stab von Vala bei der XVIII. Er wird dafür sorgen, dass du gut unterkommst.« Dann legte er den rechten Arm um seinen Sohn und zog ihn mit erstaunlicher Kraft an sich.
    Damit war alles entschieden. Caius kannte seinen Vater gut genug, um zu wissen, dass er es ernst meinte. Wer schwimmen lernen soll, den muss man ins Wasser werfen, pflegte er zu sagen. Das traf es: Seine bevorstehende Reise war wie ein Sprung ins Wasser. Ein bisschen unbehaglich war Caius bei der Vorstellung. Würde das Unternehmen unter einem guten Stern stehen? War das Unglück seines Vaters am Ende vielleicht ein böses Omen? Noch ehe er diesen Gedanken zu Ende gebracht hatte, fand er ihn schon wieder albern.
    Â»Fahr«, sagte Quintus noch einmal dicht an seinem Ohr. Dann ließ er seinen Arm sinken und lächelte.
    Während sein Vater die Augen schloss, erhob sich Caius von der Kline und stand unschlüssig im Raum. Er schaute sich um. Sein Blick blieb an dem umgestürzten Sessel und den auf dem Boden liegenden Tafeln und der Schriftrolle hängen. Er ging zum Tisch, stellte den Sessel wieder hin, ergriff die Tafeln und legte sie auf einen Stapel. Dann bückte er sich nach der heruntergefallenen Papyrusrolle. Es war die
Aeneis
von Maro, aus der sein Vater, der den Dichter kurz vor dessen Tod persönlich kennengelernt hatte, ihm schon als Kind oft vorgelesen hatte. Eine fantastische Erzählung über die Reise in ein unbekanntes Land, dachte Caius. Ausgerechnet. Konnte das Zufall sein? Oder war es ein Wink? Eine Warnung? Caius schaute auf den Papyrus in seiner Hand. Der Text zwischen den beiden Rollen war irgendwo in der Mitte des dritten Buches der
Aeneis
geöffnet. Sein Blick fiel auf einen der Verse, indenen von der Höhle des menschenfressenden Kyklopen die Rede war. Unwillkürlich folgten seine Augen den Zeilen, und als die Worte sich in seinem Kopf formten und zu dem oft gehörten monotonen Rhythmus aneinanderreihten, war ihm, als griff eine eiskalte Hand nach seinem Herzen.
Sah ich’s doch selbst: Er packt zwei Mann aus unserer Schar mit mächtiger Faust und lehnt sich zurück inmitten der Höhle, schmettert sie gegen den Fels; da schwamm, vom Blute bespritzt, der Boden; ich sah, wie er dann die blutbesudelten Glieder kaute, wie zitternd die Stücke noch zuckten unter den Zähnen
.

7
    Caius hatte vor lauter Aufregung nicht geschlafen und fühlte sich wie gerädert, als seine Mutter ihn am frühen Morgen weckte. Der Tag der Abreise war gekommen.
    Draußen war es noch dunkel. Gedämpft drang das Klappern von Hufen und das Rattern von Wagenrädern herein. Rom schlief nicht: Die ganze Nacht über brachten Lieferanten ihre Waren und luden sie vor Geschäften und Lagerhäusern ab. Die nächtliche Geräuschkulisse gehörte zu dieser Stadt wie das Meeresrauschen zu einem Fischerdorf an der Küste. Caius wusste, dass er diese Geräusche vermissen würde. Sie fehlten ihm schon, wenn er ein paar Tage im Landhaus seines Vaters verbrachte.
    Schließlich stand er auf und wusch sich das Gesicht in einem Bronzebecken. Im Haus waren ein

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