Signum - Die verratenen Adler
paarmal leise Schritte zu hören. Caius zog sich an und trat ins Atrium. Der Brunnen plätscherte nicht, und auch sonst war es still. Der Himmel über ihm hatte einen ersten Stich von Dunkelblau bekommen. Ein paar Sterne glitzerten und kündigten einen wolkenlosen Tag an.
Im Triclinium brannte Licht. Caius trat ein und sah seine Mutter, die gerade dabei war, ein paar frische Fladenbrote einzupacken, die einer ihrer Sklaven zu dieser frühen Stunde irgendwo besorgt hatte. Sie blickte auf und rang sich ein Lächeln ab.
Caius war zu unruhig, um sich zu setzen. Während seine Mutter Honig und Kräuterquark in kleine Schalen füllte, ging er rastlos im Raum auf und ab. Plötzlich hörte er, wie ein Wagen in ihre StraÃe einbog. Das muss Lucius sein, dachte er. In diesem Viertel auf dem Aventin gab es keine Läden, die beliefert werden mussten; die Leute, die hier wohnten, kauften ohnehin nicht selbst ein, sondern lieÃen sich die Ware bringen.
Das Klappern der Hufe und das Rasseln der Wagenräder wurde lauter und verstummte unmittelbar vor dem Haus. Caius ging durch das Atrium zur Tür. Der vorhin kaum wahrnehmbare Blaustich im Himmel war in der kurzen Zeit kräftiger geworden.
Er öffnete die Tür, noch bevor Lucius klopfen konnte. Sein Freund hatte blendende Laune. Weder die kurze Nacht noch der Abschied von Familie und Freunden schien ihm zuzusetzen. Caiusâ Niedergeschlagenheit sah er mit einem Blick, er hatte aber offenbar nicht die Absicht, mit Einfühlsamkeit darauf zu antworten. »Du sauertöpfischer Krauterer!«, rief er, packte Caius bei den Schultern und schüttelte ihn. »Wir fahren nach Germanien und bringen den griesgrämigen Cherumplern und den bärbeiÃigen Brutzelern die Heiterkeit des Südens! Also zieh nichtso ein Gesicht!« Mit diesen Worten verschwand er im Atrium.
Caius stand eine Weile unschlüssig in der groÃräumigen Eingangshalle. Eigentlich war ihm in seiner augenblicklichen Stimmung nicht nach der Gesellschaft dieses aufdringlichen Flegels, der sein Freund nun einmal war. Doch so anstrengend Lucius manchmal sein konnte, so gnadenlos er andere mit seiner unsanften Fröhlichkeit heimsuchte â seine Heiterkeit war ansteckend. Schon spürte Caius, wie seine Laune sich hob. Was für einen Grund gab es überhaupt, sich Sorgen zu machen? Seinem Vater ging es viel besser, und er selbst brach zu einer Reise auf, um die ihn alle anderen Jungen beneideten, und das in Gesellschaft eines Freundes, der mit seinem Tatendrang und Einfallsreichtum der beste Garant dafür war, dass es nicht einen einzigen Moment langweilig werden würde. Caius holte tief Luft und lächelte, dann ging auch er ins Haus zurück.
Die Anwesenheit von Lucius machte selbst den Abschied von seiner Familie leichter. Tullia und Cornelia konnten ihre Tränen nicht mehr zurückhalten, als Caius sie umarmte. Sein Vater, der sich auf einen Stock stützte, bewahrte die Fassung. Bevor er seinen Sohn in den Arm nahm, überreichte er ihm eine kostbar eingefasste Schriftrolle. »Als Reiselektüre«, sagte er mit einem hintergründigen Lächeln. »Statt vieler guter Ratschläge, die du ja ohnehin in den Wind schlagen würdest.« Es waren die
Satiren
von Flaccus. Caius war gerührt. Seine Augenwurden feucht, und er blinzelte ein paarmal, damit Lucius es nicht sah. DrauÃen fuhren weitere Wagen vor. Es war Zeit für den Aufbruch.
Eine Viertelstunde später saÃen Caius und Lucius in einem bequem gefederten und gepolsterten Reisewagen und ratterten den Hang des Aventin hinab. Drei weitere Wagen mit Gepäck und Bediensteten folgten ihnen. Der Himmel glomm inzwischen in kräftigem Blau, und nur noch die hellsten Sterne waren zu sehen. Sie bogen in eine gröÃere StraÃe ein und fuhren in Richtung Norden. Links von ihnen schimmerte der Tiber. Sie passierten den Stadthafen mit seinen Lagerhallen, wo bereits ganze Scharen von Arbeitern mit dem Beladen von Wagen aller GröÃen beschäftigt waren. Es folgten einige Tempel, dann die Insel, die in der Morgendämmerung tatsächlich wie ein Schiff durch den Strom zu gleiten schien. Bald darauf überquerten sie das Marsfeld, wo noch kaum ein Mensch unterwegs war. Weitere Tempel glitten vorbei, dann die Thermen des Agrippa, und kurz darauf bogen sie links in die auf beiden Seiten von Grabmonumenten aller GröÃen gesäumte Via Flaminia ein, wo wiederum
Weitere Kostenlose Bücher