Signum - Die verratenen Adler
Umständen beugen will, wird stärker«, sagte Chariomer nach einer weiteren Pause. »Und der Grund dafür ist nicht die römische Lebensweise, sondern die Selbstverständlichkeit, mit der ihr voraussetzt, dass sie die bessere ist. Es verletzt ihren Stolz.«
»Sie ist ein Angebot.«
»Aber nicht alle empfinden das als Angebot ⦠leider.« Das letzte Wort schien er sich abgerungen zu haben. Er schien mit sich zu kämpfen, dann sagte er: »Und in gewisser Weise kann ich sie verstehen. Als Tiberius den letzten Aufstand niedergeschlagen hat, verwüsteten seine Legionen das Land wie nie zuvor. Jedes Dorf, durch das sie gezogen sind, wurde abgebrannt. Das hatte nichts mit den Gesetzen zu tun, die euer Statthalter predigt.«
»Und die gefangenen römischen Offiziere, die von cheruskischen Kriegern zu Beginn des Aufstands abgeschlachtet worden sind?«, fragte Quintus immer noch sachlich, wobei er offensichtlich bewusst die zweite Person vermied. »Hatte das etwas mit den Gesetzen der Cherusker zu tun? Soweit ich weiÃ, herrschte zu dieser Zeit noch kein Kriegszustand.«
»Nein«, gab Chariomer zurück. »Aber wenn beide Seiten jederzeit bereit sind ihre eigenen Gesetze zu brechen â wer soll dann den Anfang machen? Müssten das nicht diejenigen tun, die verlangen, dass ihre Gesetze auch für die andere Seite gelten?«
Quintus lächelte. »Mir scheint, du hast das Problem verstanden.« Dann lenkte er das Gespräch in eine andere Richtung. Er fragte nach der Bewirtschaftung des Landes und der Viehzucht, nach dem Handwerk und den Methoden der Eisenverarbeitung und schlieÃlich nach den Göttern der Germanen, wobei er weitreichende, wenn auch sehr theoretische Vorkenntnisse bewies und versöhnliche Parallelen zur römischen Götterwelt fand. Chariomer berichtigte einige seiner Ansicht nach ungenaue Angaben der römischen Autoren, die ihre eigenen Vorstellungen zu leichtfertig auf den germanischen Olymp, wie er sich ausdrückte, übertrugen. Als der Cherusker schlieÃlich gegangen war, blieb Caius ziemlich ungehalten zurück. Seiner Meinung nach hatte sein Vater diesem jungen Barbaren viel zu viel Anerkennung gezollt.
Doch seine Laune sollte sich bald bessern. Am nächsten Morgen stand sein Freund Lucius Flavius Verucla mit einer grandiosen Neuigkeit vor der Tür. Die beiden kannten sich aus frühesten Kindertagen, weil ihre Mütter eng befreundet waren. Sein GroÃvater stammte aus Hispanien. Lucius hatte seine ersten Lebensjahre in Umbrien verbracht und war als kleiner Junge nach Rom gekommen. Lucius war 13 Monate älter als Caius und bei allen Freundenals Tunichtgut bekannt, dem die Ideen nicht ausgingen. Sein Vater hatte die übliche Karriere bis zum Amt eines Aedilen durchlaufen und sich dann als Betreiber von Minen in verschiedenen Provinzen des Imperiums selbstständig gemacht. Jetzt stand er Caius im Atrium gegenüber und grinste triumphierend über beide Ohren.
»Wann reisen wir ab nach Germanien?«, fragte Lucius und schlug seinem Freund zur BegrüÃung auf die Schulter, dass er fast in die Knie ging.
Caius verstand nicht recht. »Willst du dich in einer der Kisten verstecken?«, fragte er und wies in die Runde, wo sich leere, halb gepackte und bereits verschlossene Truhen stapelten.
»Nicht nötig«, gab Lucius gönnerhaft zurück. »Ich bekomme einen eigenen Wagen, zwei Leibwächter, zwei Sklaven und einen Sekretär.«
Caius konnte es immer noch nicht fassen. Lucius zusammen mit ihm in Germanien! Wie in aller Welt hatte er das wieder fertiggebracht?
Lucius, dessen Grinsen immer breiter wurde, nahm ihm die Antwort ab. »Mein verehrter Herr Vater hat eine Bleimine fünf Tagesreisen östlich des Rheins zu erwerben geruht«, sagte er näselnd. »Die Bergbauingenieure und einige Arbeiter sind schon oben. Als angehender Geschäftsführer habe ich den Auftrag, ihnen ein bisschen auf die Finger zu sehen.« Ãbermütig stolzierte Lucius im Atrium auf und ab. Er rieb sich die Hände und konnte sich vor Freude kaum halten.
Caius war mit einem Schlag in blendender Stimmung. »Das kann ja heiter werden«, sagte er ebenfalls grinsend. »Die Mine wird mit Pauken und Trompeten den Bach runtergehen. Zufällig weià ich nämlich, dass der angehende Herr Geschäftsführer sich viel mehr für ganz andere Arten von Geschäften
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