Signum - Die verratenen Adler
Tagen zu reiten. Wie er das geschafft hat, ist mir bis heute ein Rätsel. Seitdem überrascht er mich immer aufs Neue. Auch diese doppelwandige Schatulle ist eine Idee von ihm. Alle meine persönlichenBoten verwenden sie inzwischen für wichtige Nachrichten. Falls sie überfallen werden, findet man nur ein paar belanglose Briefe, in denen von Getreidehandel die Rede ist.« Augustus leerte den Becher mit einem Zug und nahm den Faden des Gesprächs mühelos wieder auf. »Solange sie sich nicht ins Gehege kommen«, rekapitulierte er, und Caius brauchte etwas, um zu begreifen, dass erneut von Varus und Rullianus die Rede war. »Früher oder später werden sie sich ins Gehege kommen. Rullianus ist ehrgeizig. Er wird nach dem Posten des Provinzstatthalters schielen. Das wiederum wird Varus anspornen. Ich denke, es werden noch zehn Jahre ins Land gehen, dann können wir die Lager vom Rhein an die Albis verlegen. Damit wäre die Grenze zu Gallien gesichert. Leider haben wir noch nicht viele genaue Informationen über das Land. Es heiÃt, vom Rhein bis zur Albis sind es dreitausend Stadien, aber nach neueren Berechnungen scheint es eher etwas weniger zu sein. Wie es weiter im Osten aussieht, darüber wissen wir fast gar nichts. Die Stämme dort sind angeblich noch zügelloser und kriegerischer als die Germanen, mit denen wir zu tun haben. Wenn das stimmt, dann frage ich mich: Kann es Menschen geben, bei denen jeder Versuch aussichtslos ist, sie an unsere Lebensweise zu gewöhnen?«
Quintus schwieg, und Augustus wandte sich völlig unerwartet an Caius und legte ihm die Hand auf den Arm. »Fragen wir doch mal die Jugend. Gibt es Menschen, die sich nicht zähmen lassen?«
Caius war völlig überrumpelt und die Gedanken rasten durch seinen Kopf. Augustus lächelte ihn aufmunternd an. »Sag mir, was du denkst!«
Caius überlegte fieberhaft. »Ja«, antwortete er schlieÃlich. »Ich glaube, dass es solche Menschen gibt.«
Augustus schien mit der Antwort gerechnet zu haben. »Aber haben wir das von den Germanen hinter dem Rhein nicht auch gedacht? Erleben wir mit ihnen nicht gerade genau das Gegenteil â mit Leuten wie Arminius?«
Alles, was Caius dazu einfiel, kam ihm unsagbar dumm vor. Da streifte ihn ein viel grundsätzlicherer Gedanke. Die Stimme seines Vaters klang ihm noch im Ohr:
Er liebt es, wenn man ihm widerspricht
. Caius nahm seinen Mut zusammen, doch gerade als er antworten wollte, betrat wieder einer der Sklaven den Raum. Die drei blickten auf.
»Appius Aemilius Rullianus ist soeben angekommen«, sagte der Sklave mit einem melodischen Singsang in der Stimme.
»Dann sind wir ja vollzählig«, gab Augustus zurück und erhob sich. Caius und sein Vater standen ebenfalls auf.
Ein paar Augenblicke später erschien ein keine vierzig Jahre alter, groÃer und massiger Mann mit sehr kurzen schwarzen Haaren im Schatten der Säulen. Er trug eine Feldherrenuniform, an deren Brustharnisch ein weiÃer Umhang mit Spangen befestigt war. Während der Sklave rückwärtsgehend aus der Tür verschwand, kam von der Seite ein zweiter Sklave, der dem Ankömmling schweigend Mantel, Harnisch und Schwertgehänge abnahm,während ein dritter dem neuen Gast eine Schale mit Wasser reichte. Achtlos tauchte Rullianus seine Hände hinein, rieb nachlässig die nassen Handflächen aneinander und lieà sie sich von einem vierten Sklaven umso ausgiebiger abtrocknen. AnschlieÃend trat er mit einem breiten Lächeln in den Türrahmen.
»Rullianus«, sagte Augustus freundlich. »Deine neue Aufgabe steht dir.« Rullianus verneigte sich leicht. Er hatte SchweiÃperlen auf der Stirn und atmete schwer. »Keine Sorge«, setzte Augustus nach, dem nichts entging. Dann lächelte er vieldeutig. »Es wartet Kühlung auf dich.«
3
Nach der BegrüÃung reichte ein Sklave Rullianus einen Becher mit goldfarbenem Wein, bevor er sich wieder entfernte.
Rullianus machte es sich auf dem Sessel links neben Caius bequem und blickte in sein Glas. Trotz seiner Statur hatte er ein fein geschnittenes Gesicht, das jedoch durch den militärisch kurzen Haarschnitt und einen überheblichen Zug um seine Mundwinkel eine unnahbare Härte bekam. Kurz begegnete Caius seinem abschätzigen Blick.
Dann schauten alle zu Augustus, der jetzt seinen Becher hob, den Gästen zutrank und sofort den Faden der Unterhaltung
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