Signum - Die verratenen Adler
die er nicht recht zu antworten wusste. »Natürlich haben wir das«, gab er zurück. »Aber alles andere hätte uns über kurz oder lang den nächsten Bürgerkrieg beschert.«
»Dann stimmst du mir zu, dass wir im Grunde nicht besser sind als sie. Wir fallen bei jeder Gelegenheit übereinander her.«
»Legionäre wollen beschäftigt werden.«
»Oder man entlässt sie mit einem Landgut.«
»Und wohin soll man sie entlassen, wenn es bei uns keine Landgüter mehr gibt? Oder willst du dein eigenes zur Verfügung stellen? Wenn man es passend parzelliert, dürfte es doch für ein paar Kohorten reichen!«
»Davon gehe ich aus«, sagte Quintus mit einem süffisanten Lächeln, ohne auf die Provokation einzugehen. »Aber du hättest Verständnis dafür, dass ich mich wehren würde, wenn man mir mein Land wegnehmen wollte?«
Rullianus begriff, dass er in die Falle gegangen war. Er blickte zu Augustus, als erwartete er Unterstützung von dieser Seite.
Doch der Princeps schien den Wortwechsel vor allem unterhaltsam zu finden. SchlieÃlich ergriff er selbst wieder das Wort. »Wir sind bei unserer Ausgangsfrage: unterwerfen oder erziehen? Ich würde sagen, eine entschlossene Kombination aus beidem. Entschlossener als bisher. Härtere Strafen und reizvollere Belohnungen. Sie müssen verstehen, dass es keinen Sinn hat, sich uns zu widersetzen. Und sie müssen verstehen, dass sie aus ihrem Land mehr machen können, wenn sie von uns lernen.«
»In Germanien gibt es nicht viel zu holen«, sagte Rullianus mit abfälligem Unterton.
»Du solltest die Berichte genauer lesen. Unsere Landvermesser entdecken fast jeden Tag neue Hinweise auf Bodenschätze. Und die Ãcker sind in weiten Landstrichen weitaus besser, als das Klima vermuten lässt. Ein paarvon ihren Anführern haben bereits verstanden, was die neue Zeit ihnen für Möglichkeiten bietet. Ein paar andere beginnen es zu ahnen. Ein paar hundert Personen haben schon das Bürgerrecht. Und es werden mehr.«
»Das Bürgerrecht macht sie noch lange nicht zu Römern«, entgegnete Rullianus.
Augustus zog eine Augenbraue hoch. »Was sind denn Römer anderes als die Nachfahren derer, die irgendwann das Bürgerrecht bekommen haben?«
»Princeps«, sagte Rullianus und sah Augustus eindringlich an, »diese Barbaren werden niemals mit uns auf einer Stufe stehen. Sie kennen keine Loyalität. Sie verstehen nur eine Sprache.«
»Ich glaube, sie verstehen zwei Sprachen. Du sprichst eine davon. Varus spricht die andere. Und so findet jeder einen, der ihn versteht.« Augustus lächelte hintergründig. »Und da es zu einer Provinz Germanien schon wegen der Sicherung der Grenze zu Gallien keine Alternative gibt, müssen wir die Gangart wechseln. Mit dem neuen Feldzug zeigen wir den Einwohnern der Provinz und ihren Nachbarn, wo ihre Grenzen sind. Und zwar in jeder Hinsicht: die Grenzen des Landes und die Grenzen dessen, was wir zu dulden bereit sind. Und um die Zusammenarbeit zwischen Armee und Verwaltung besser zu koordinieren, werde ich einen Sondergesandten mit weitreichenden Befugnissen einsetzen. Jemanden, der keine eigenen Interessen vor Ort hat und weder der Armee noch der Verwaltung verpflichtet ist, aber beide Seiten kennt.«
Rullianus beugte sich vor und blickte wieder auf seinen Becher. Caius sah, wie er versuchte das Misstrauen in seinem Blick wie angestrengtes Nachdenken aussehen zu lassen. Die Idee mit dem Sondergesandten schien ihm nicht zu behagen.
Der Princeps fuhr unbeirrt fort. »Jemanden, dem ich voll und ganz vertrauen kann. Jemanden, der die Interessen des Staates im Auge hat und nicht die seiner eigenen Karriere.« Es klang wie ein Seitenhieb.
»Ich nehme an, du hast schon jemanden dafür ausgesucht«, sagte Rullianus lauernd.
»Das habe ich.«
»Und der Betreffende weiÃ, was ihn erwartet.«
»Er weià es. Er weià nur noch nicht, dass er ausgesucht wurde.«
»Dann wird es wohl auch Zeit, dass Varus davon erfährt.«
»Du willst damit sagen, es wird Zeit, dass du es erfährst.«
Rullianus lachte leise auf. »Ich will mich nicht vordrängeln. Vielleicht sollte dein Auserwählter es erst einmal selbst erfahren.«
Augustus lächelte und der ironische Zug um seine Mundwinkel war unübersehbar. »Es wäre ja auch gar nicht deine Art, dich
Weitere Kostenlose Bücher