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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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ruhen. Damals hatten auch Kim Philby, Burgess und McClean zu den Jungs gehört. Die alte Cambridge-Crew. Sir Charles war immer noch fasziniert von der Tatsache, dass Quentin diesem Fiasko mit heiler Haut entkommen war –, während alle anderen um ihn herum entweder übergelaufen waren oder Kopf und Kragen verloren hatten. Trotz seiner exaltierten Art hatte der Gentleman vom anderen Ufer sich immer zu helfen gewusst, wenn es darauf ankam. Irgendwann jedoch, als aus den Sechzigern die Siebziger wurden, und aus den Siebzigern die Achtziger, war er zur Parodie seiner Selbst geworden. Im neuen Jahrtausend war er nur noch ein Relikt vergangener Zeiten.
    Der Mann marschierte auf die Bank neben der
Fagus sylvaticus pendula
– einer Hängebuche – zu und nahm darauf Platz. Er klappte seinen Aktenkoffer auf und holte ein paar dreieckige, in Butterbrotpapier eingeschlagene Thunfisch-Sandwiches daraus hervor. Er aß sie jedoch nicht, sondern verfütterte sie an die Vögel, während er darauf wartete, dass der Alte zu ihm aufschloss. Hier war ihr üblicher Treffpunkt. Sir Charles hatte den alten Baum zuletzt vor sechs Monaten besucht. Die Hängebuche war in seinen Augen ein wirklich bemerkenswertes Gewächs: Sie sah aus wie ein riesiger Haufen aus Ästen, den spielende Kinder aufgetürmt hatten, um eine Höhle darin zu bauen. Wie jedes Mal, wenn er hier war, dachte er daran, dass nur wenige Meter entfernt die Verbrecher des mittelalterlichen Londons aufgeknüpft worden waren, um ihre Leichen anschließend den Krähen zu überlassen. Er fand es äußerst amüsant, dass die Stadt ihre Geschichte so eifrig zu verstecken versuchte, dass das Tyburn Gallows in Marble Arch umbenannt worden war – es musste eine der ersten PR-Maßnahmen der Geschichte gewesen sein. Es war ein stimmiger Platz für zwei alte Spione, um auf einer Parkbank die frühen Morgenstunden zu genießen.
    Maxwell schob den Rollstuhl des Alten neben die Bank und bat, ihn ein paar Minuten zu entschuldigen. Sir Charles nahm seine Zeitung zur Hand und machte eine kunstvoll aufgeführte Vorstellung daraus, sie aufzuschlagen und bis zum Finanzteil zu blättern. Die Zeit hatte sich dem Mann neben ihm nicht sonderlich gnädig gezeigt. „Oh, um Himmels Willen, Charles, mein lieber Junge. Müssen wir wirklich jedes Mal diese Scharade vollführen? Es hat mir immer viel Vergnügen bereitet, Spion zu spielen, als wir noch siebzehn waren. Doch wenn man sich dem falschen Ende der Siebzig nähert, wird es allmählich zu einer lästigen Pflicht, muss ich gestehen. Das Spiel ist längst nicht mehr so lustig.“
    „Du warst schon immer ein Spaßverderber, nicht wahr, alter Knabe?“, sagte Sir Charles lächelnd.
    „Wenn du damit sagen willst, dass ich ein braver Bursche war, dann muss ich das Opfer einer Verwechslung sein. Nun denn, ich nehme an, du hast einen wichtigen Grund, mich hierher zu zerren?“
    „Grace Weller. Gehört sie zu euch?“, fragte der Alte ohne einleitende Worte. Er faltete die Zeitung so, dass die Titelzeile verschwand.
    „Ich habe keine Ahnung, wovon…“, begann Quentin, mit der Standardantwort eines Hüters der Staatsgeheimnisse, doch Sir Charles schnitt ihm das Wort ab.
    „Quentin, ich bitte dich. Du kannst dich so lange als Rentner ausgeben, wie du willst. Ich bin fest davon überzeugt, dass man den Geheimdienst nicht mehr aus dem Knaben herausbekommt, wenn der Knabe einmal beim Geheimdienst war. Du kannst nicht fünfundzwanzig Jahre lang die Kontrolle sein und dann einfach damit aufhören,
mein lieber Junge
“, sagte Charles und imitierte dabei den gekünstelten Tonfall seines alten Gefährten. „Und ich würde ein Pfund gegen einen Penny wetten, dass du besser darüber Bescheid weißt, was deine Leute machen, als sonst irgendjemand - den armen Tropf eingeschlossen, der versucht, in die Fußstapfen deiner ruhmreichen Lackschuhe zu treten. Ich werde vielleicht langsam älter, aber du kannst mir nichts vormachen, alter Freund; du bist immer noch dabei.“ Seine Stimme veränderte sich. „Das ist eine ernste Angelegenheit, Quentin. Ich brauche deine Hilfe.“ Es war ernst genug, um den Mann aus dem Ruhestand zu holen, der ihnen das Mandat zur Geheimhaltung von Team Ogmios erteilt hatte, aber das sagte Sir Charles nicht laut.
    „Das dachte ich mir schon, als du mich so unhöflich mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen hast. Immer dieser Unsinn über Ogmios. Man braucht eine gewisse Portion Anstand im Leben, mein Lieber. Wenn man mitten in der

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