Silberband 002 - Das Mutantenkorps
Mexico – Sonderbericht.
Einer der rätselhaftesten Morde unseres Jahrhunderts geschah gestern vormittag in Mesilla. Die kleine Betty Toufry entriß ihrem Vater, der sie auf den Schoß genommen hatte, die schwere Dienstpistole und erschoß ihn. Das Kind hat nie zuvor eine solche Waffe in der Hand gehalten und wußte auf keinen Fall, wie man mit ihr umzugehen hatte.
Allan G. Toufry, so wurde in dem Artikel weiter betont, war Wissenschaftler und Atomforscher. Er war maßgeblich an der Verbesserung der letzten Atombomben beteiligt und zeichnete für die Versuche in der Wüste verantwortlich. Das Kindermädchen behaupte steif und fest, betonte der Sonderberichterstatter voller Skepsis, daß Betty Toufry ihrem Vater noch eine Minute vorher freudig entgegengeeilt sei, dann aber plötzlich gestutzt habe. Dann sei die Pistole wie von selbst in ihre Hand geflogen. Natürlich konnte die Erzählung einer sich an den Grenzen der Hysterie befindlichen Person nicht ernstgenommen werden, führte der Reporter weiter aus. Immerhin sei der Mord eines sechsjährigen Kindes an seinem Vater doch außergewöhnlich und bedürfe eingehender psychologischer Untersuchung.
Ellert sah auf und blickte in die forschenden Augen Perrys.
»Nun? Was sagen Sie dazu?«
Ellert zuckte mit den Schultern.
»Unbegreiflich! Besonders die Aussage des Kindermädchens gibt mir zu denken.«
»Mir auch«, gab Perry zu. »Ich habe eine Vermutung, aber ich wünsche Gewißheit. Aus diesem Grund möchte ich Sie bitten, sich mit dem Kind zu befassen. Ich möchte wissen, was aus ihm wird. Können Sie das feststellen?«
»Bis zu einem gewissen Grad – ja. Denn wie immer auch der Weg in die Zukunft verlaufen wird, die Persönlichkeit bleibt gleich. Es spielt also keine Rolle, welche Wahrscheinlichkeitsebene ich finde, die Hauptsache ist, Betty Toufry lebt.«
»So dachte ich es mir, Ellert. Müssen Sie nach Neu Mexiko reisen, oder können Sie von hier aus operieren?«
»Es ist vorteilhafter, wenn ich dort sein könnte. Außerdem ist es dann nur ein Katzensprung bis Carson.«
Perry Rhodan nickte.
»Also gut. Fliegen Sie sofort. Unterrichten Sie mich umgehend. Ich bin sehr an dieser kleinen Betty interessiert.«
Nevada-Space-Port war der Raumhafen des Westens.
Ein dichter Sperrgürtel umgab das Gelände und hinderte jeden Unbefugten daran, es zu betreten. Leider erstreckten sich diese Maßnahmen nicht auf die IVs, die jederzeit den Sicherheitsbezirk überqueren und sich einen menschlichen Körper als Tarnung auszusuchen vermochten.
Es war darum unerläßlich, daß Rhodans Mitarbeiter innerhalb der abgesperrten Zone Wache hielten.
Captain Burners vom Sicherheitsdienst war das zwar nicht recht, aber er hatte die Befehle Mercants, seines obersten Vorgesetzten. Manche dieser Befehle begriff er nicht mehr. Wer nichts im Sperrgebiet zu suchen hatte, kam auch nicht herein. Das war klar und einfach. Nun durfte jeder Fremde seine Nase in Dinge stecken, die ihn im Grunde genommen nichts angingen, wie zum Beispiel dieser Marshall. Der Kerl lächelte stets so, als wisse er alles.
John Marshall, jener Mann, der dank seiner telepathischen Begabung in Australien einen Banküberfall verhindert hatte und so zu Rhodan gestoßen war, konnte sich in Nevada-Space-Port frei bewegen. Er nutzte diese Gelegenheit aus, um die ausgedehnten Anlagen kennenzulernen. Er kannte General Pounder, den Chef des Raumforschungskommandos, genauso gut wie dessen Adjutanten Oberst Maurice. Mit Dr. Fleeps, dem Astromediziner, verkehrte er ebenso freundlich wie mit Professor Dr. Lehmann, dem Leiter des wissenschaftlichen Projekts und Direktor der California Academy of Spaceflight. Und selbstverständlich kannte er Captain Burners.
Bisher hatte er nicht einen einzigen IV aufgespürt. John zerbrach sich den Kopf darüber, warum er keinen Erfolg hatte. Ständig behielt er die wichtigsten Persönlichkeiten im Auge, sprach täglich mit ihnen und konnte nichts Außergewöhnliches bemerken.
Heute hatte ihn Dr. Lehmann zum Schachspiel eingeladen.
Der ältere Herr, ein leidenschaftlicher Anhänger des königlichen Spiels, war froh, einen ebenbürtigen Partner gefunden zu haben. Selbstverständlich ahnte er nicht, daß John seine Gedanken las und somit jeden Zug im voraus kannte.
»Schach!« sagte er triumphierend und zog die Dame in – wie er glaubte – beinahe Endstellung. Genußvoll stocherte er dabei in seiner Pfeife und verbreitete einen wenig aromatischen Duft.
»Meinen Sie wirklich?«
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