Silberband 002 - Das Mutantenkorps
haben konnte. Die Gegenwart blieb hinter ihm zurück wie die Erde für einen in den Raum hinauseilenden Radarstrahl – nur schneller.
Nichts konnte seinen Sturz in die Zukunft aufhalten.
Plötzlich fühlte er Boden unter den Füßen. Die Materialisation geschah völlig unerwartet und so abrupt, daß er das Bewußtsein verlor. Wie lange er so dagelegen hatte, hätte er niemals zu sagen vermocht. Als er erwachte, spürte er den Körper. War er in die Gegenwart zurückgekehrt, oder hatte er seinen eigenen Körper in der Zukunft eingeholt? Er verwarf die Frage im gleichen Augenblick, da er sie stellte. Es mußten Jahrmillionen vergangen sein, denn er hatte das Werden und Vergehen ganzer Welteninseln gesehen. Niemals würde er so lange leben können.
Behutsam bewegte er seine Hände, fühlte seidigen Pelz und erschrak. Als er endlich die Augen zu öffnen wagte, fand er seine wilde Vermutung bestätigt. Sein in die fernste Zukunft geschleuderter Geist hatte eine neue Heimstätte gefunden, aber es war nicht der Körper eines Menschen, der ihn aufgenommen hatte.
Der Fremde besaß vier Beine und eine wache Intelligenz.
»Ich bin Gorx«, meldete sich plötzlich seine Gedankenstimme. »Wer bist du?«
Obwohl Ellert erneut zutiefst erschrak, antwortete er sofort.
»Ich bin Ellert. Du scheinst nicht einmal überrascht zu sein.«
»Wir erhalten oft Besuch aus dem Universum«, kam die telepathische Antwort.
Ellerts Gedanken überschlugen sich. Wohin war er geraten? Er stellte eine entsprechende Frage.
»Unsere Welt heißt Gorx«, lautete die Auskunft.
Ellert fragte sich, ob er den Verstand verloren hatte.
Was war das für ein Wesen? Eine Art Falle für umherirrende Bewußtseine? Wie sollte er jemals erfahren, wohin ihn das Schicksal verschlagen hatte? War dies die Erde, wie sie in Jahrmillionen einmal sein würde? Wenigstens das sollte sich feststellen lassen. Aber er gab es auf, bevor er es versuchte. Er wußte, daß der Schock seines plötzlichen Todes ihn nicht nur durch die Zeit, sondern auch durch den Raum geschleudert hatte.
Er konzentrierte sich und verließ Gorx' Körper.
Unter sich sah er ein schwerfälliges Wesen über felsigen Grund kriechen. Drüben in den senkrechten Felsen waren dunkle Höhleneingänge.
Hier gab es keine Antwort auf seine Fragen. Hier nicht!
Als er sich konzentrierte, verschwand die Welt unter ihm und machte erneut der Unendlichkeit Platz. Er wirbelte durch den Strom der Zeit, aber diesmal zurück. Als er anhielt, schwebte er im Nichts.
Wie sollte er sich zurechtfinden?
Es gab keinen Anhaltspunkt. Er war ein winziger Tropfen im Ozean und sollte eine bestimmte Stelle eines Strandes an einem Kontinent finden und das noch zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Plötzlich wußte Ellert, daß er ein Gefangener der Ewigkeit war, die er zu beherrschen geglaubt hatte.
Nicht die Frage, wo er sich befand, war von entscheidender Bedeutung, sondern vielmehr die nach dem Wann …
Darauf gab es keine Antwort – noch nicht.
Vielleicht würde die Ewigkeit sie ihm eines Tages geben.
Mit dieser vagen Hoffnung begann Ernst Ellert seine verzweifelte Suche nach der Gegenwart.
12.
Die Arbeitsroboter hatten ihre Aufgabe beendet. Der Schacht führte fünfzig Meter in die Tiefe der steinigen Gobiwüste. Stahlharte Schmelzglasur machte die Wände für alle Zeiten verwitterungssicher. Niemals würde Grundwasser in den Schacht dringen. Auf dem Boden ließ Rhodan eine Kammer ausbauen, die Sauerstoffvorräte, Informationsmaterial, Anweisungen und Energiespeicher enthielt.
In der Mitte des Raumes, der vier Meter im Quadrat maß, stand eine Liege. An sie angeschlossen war eine Alarmanlage. Sie würde sofort in Aktion treten, wenn in dieser Kammer ein Mensch den ersten Atemzug tat.
Dieser Mensch war Ernst Ellert.
Sie hatten ihn unter die elektronischen Instrumente gelegt. Metallklemmen umschlossen sein linkes Handgelenk und die Gelenke seiner Füße. Eine Haube umhüllte seinen Kopf. Dicht vor seinem Mund schwebte eine Art Spiegel, der mit Selenzellen gekuppelt war. Ein Hauch aus dem Mund würde genügen, um die ganze Apparatur in Gang zu setzen.
Rhodan hatte für Ellert ein Mausoleum errichtet, wie es noch niemals ein Sterblicher erhalten hatte. Aber, so ahnte Rhodan, Ellert war kein Sterblicher im eigentlichen Sinn. Tief in seinem Innern trug Perry die Überzeugung, daß er eines Tages, in naher oder ferner Zukunft, dem Teletemporarier noch einmal begegnen würde.
Es konnte sein, daß Ellert zurückkehrte.
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