Silberband 018 - Hornschrecken
als so schnell wie möglich zum Lager zurückzukehren. Nur Jaycie Ridell war
voller Begeisterung.
»Vielleicht finden wir einen anderen Schacht«, überlegte sie. »Es ist möglich, daß die
Hornschrecken noch andere Leckerbissen gefunden haben, außer Eisen. Vielleicht könnten wir aus
weiteren Hinweisen eine detaillierte Hypothese über den Hornschrecken-Metabolismus
erarbeiten.«
Joel sah sie prüfend an. Sie hing schräg über ihm. Ihre Augen leuchteten. Joel hätte gern
etwas zu ihr gesagt, irgendeine nette Bemerkung. Aber bei dem fast euphorischen Tatendrang, in
den sie sich hineingesteigert hatte, wußte er nicht, welches die richtigen Worte waren.
»Sie können recht haben, Jaycie«, antwortete er.
Dann setzte er sich in Bewegung. Die Gruppe folgte ihm träge. Nur Jaycie gab sich Mühe, dicht
neben ihm zu bleiben.
»Kobalt wäre ein weiterer Hinweis«, sagte sie eifrig. »Vielleicht haben wir aber auch zu
voreilig geschlossen und wichtige Gesichtspunkte außer acht gelassen. Sie könnten zum Beispiel
die schweren Elemente ebenfalls für einen Leckerbissen halten, wegen der Radioaktivität, meine
ich.« Sie verbesserte sich selbst. »Ach nein, das gibt keinen rechten Sinn.«
Joel ließ sie plappern, solange es ihr Spaß machte. Sie hatte eine sympathische Stimme, und
manchmal ertappte er sich dabei, wie er ihr aufmerksam zuhörte, nur um den Klang ihrer Stimme auf
sich einwirken zu lassen.
Sie waren inzwischen bis auf zwei Kilometer an die dunkle Stelle herangekommen. Es zeigte
sich, daß es da im Boden eine schüsselförmige Vertiefung gab. Sie war kreisrund und hatte am
oberen Rand einen Durchmesser von etwa hundert Metern. Das allerdings war es keineswegs, was
Joels Aufmerksamkeit erregte. Es fiel ihm auf, daß das allgemeine Glitzern, das überall sonst den
Boden lückenlos überzog, im Umkreis von drei Kilometern riesige Löcher aufwies. Er entdeckte eine
solche Stelle senkrecht unter sich und stieß hinunter. Die Idee, die ihm zuerst gekommen war,
erschien ihm so atemberaubend unglaublich, daß er sie sofort überprüfen wollte.
Sie erwies sich bei aller Unglaublichkeit als richtig.
In der weiteren Umgebung der Senke war die Molkexschicht an Tausenden von Stellen aufgerissen,
und der nackte Boden trat zutage. Das, erkannte Joel nach kurzem Zögern, war in doppelter
Hinsicht von großer Bedeutung. Aus einer unversehrten Molkexschicht Proben herauszuschneiden, war
mit den Instrumenten, die sie besaßen, aussichtslos. Eine aufgerissene Schicht dagegen war
weniger stabil und leichter angreifbar.
Aber da war noch etwas anderes. Die Senke mitten in der Ebene war an sich ein höchst
merkwürdiges Gebilde. Daß ausgerechnet in ihrer Umgebung die Molkexmasse Lücken aufwies, machte
sie noch verdächtiger. Joel war sicher, daß sich in dem Loch vor ihnen irgend etwas
Geheimnisvolles verbarg, und da es auf Zannmalon keine erfreulichen Geheimnisse zu geben schien,
ermahnte er seine Begleiter zur allerhöchsten Vorsicht.
Sie waren inzwischen zu ihm herabgestoßen, umstanden eine der Lücken in der gläsernen Schicht
und bestaunten das Wunder. Das heißt, Jaycie in ihrem plötzlich erwachten, undämpfbaren Eifer
begnügte sich nicht mit der bloßen Betrachtung. An ihrer Tragschraube glitt sie zum nächsten Loch
hinüber, dann zum übernächsten und so weiter – und näherte sich dabei dem Rand der Senke,
vor dem Joel Carso sie gerade gewarnt hatte. Joel mußte sie schließlich zurückrufen. Sie folgte
sofort, aber ihr Gesicht war rot vor Aufregung, als sie neben Joel landete.
»Wenn Sie mich fragen«, sagte sie hastig, »dann war die Molkexmasse in dieser Gegend vor
kurzer Zeit noch flüssig.«
Joel stutzte.
»Wie kommen Sie darauf?« wollte er wissen.
»Da vorne werden die Löcher in der Schicht immer größer und zahlreicher«, antwortete Jaycie
und streckte den Arm aus, um zu zeigen, welche Richtung sie meinte. »Der Boden ist leicht
geneigt. Die Molkexflecken, die zurückgeblieben sind, sind an der Vorderseite dick, während sie
hinten flach gegen den Boden auslaufen. Sie sehen aus wie erstarrte Tropfen.«
Die Aussicht, eine Spur von flüssigem Molkex zu finden, war erregend. Joel war drauf und dran,
Jaycies auffordernder Geste zu folgen und sich an Ort und Stelle umzusehen. Erst im letzten
Augenblick erinnerte er sich daran, daß dieses Unternehmen nicht nur aufregend, sondern auch
gefährlich war. Er befahl den übrigen zu bleiben, wo sie waren, und bat
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