Silberband 020 - Kampf gegen die Blues
Lichtjahre vom System Sol entfernt.
Aber diese Entfernung interessierte die Männer an Bord weniger. Ein anderes, viel näher
gelegenes Sonnensystem nahm ihre Aufmerksamkeit voll in Anspruch.
ESS-1 war nur 9.842 Lichtjahre von der Sonne Verth entfernt.
Das Verthsystem jedoch war die Heimat der Blues.
Oberst Joe Nomers, Kommandant der ESS-1, verließ seine Kabine eine gute Stunde bevor man die
der TRISTAN erwartete.
Nomers war schon über fünfzig Jahre alt, ein untersetzter muskulöser Mann mit völligem
Kahlkopf und dünnen, stets blau angelaufenen Lippen. Der Oberst wirkte unauffällig, ein Eindruck,
der durch seine Schweigsamkeit nur unterstrichen wurde.
Nomers ging ohne Hast in Richtung des Kontrollraumes. Mit leichtem Unbehagen dachte er daran,
daß man die 800 Meter durchmessende ESS-1 von allen überflüssigen Maschinenanlagen befreit hatte.
Auch schwere Waffen befanden sich nicht an Bord.
Der riesige Ferntransmitter akonischer Bauart, den man in der Station untergebracht hatte,
verschlang allen Platz. So war die ESS-1 eher eine im Raum schwebende Transmitterstation als ein
Raumschiff. Da Nomers Raumschiffskommandant war, fühlte er, wie jeder Raumfahrer, eine heftige
Abneigung gegen alle Schiffe mit unvollständiger Ausrüstung.
Der Planet, den die ESS-1 umkreiste, trug den Eigennamen Griez. Er war eine Eiswelt von
überdurchschnittlicher Größe, ohne Spuren von Leben und Zivilisation.
Die kleine rote Sonne reichte nicht aus, um die beiden Planeten dieses Systems so zu erwärmen,
daß sich die zu Eis erstarrten Oberflächen verändert hätten.
Vielleicht, überlegte Nomers, waren irgendwo dort unter dem Eis die Spuren längst vergangener
Zivilisationen, Spuren, die von intelligenten Bewohnern berichteten. Gleich den Menschen mochten
sie gehofft, geliebt und gelitten haben, bis die erbarmungslose Natur einen Schlußstrich unter
ihre Entwicklung gesetzt hatte.
Nomers betrat die Zentrale der ESS-1. Im gleichen Augenblick fühlte er, wie die Spannung der
Besatzung auf ihn übergriff. Es war, als übertrete er eine Schwelle zwischen zwei Räumen mit
völlig verschiedenen Atmosphären. Die langjährige Erfahrung hatte in Nomers ein eigenartiges
Gefühl für Veränderungen im menschlichen Verhalten geschaffen. Aus den kleinsten Reaktionen eines
Mannes vermochte er dessen augenblickliche Verfassung zu erkennen.
Vielleicht kam seine Schweigsamkeit daher, daß er fürchtete, seiner Umwelt ähnliche Hinweise
zu liefern; daß er es vermeiden wollte, durchschaut und erkannt zu werden.
Nomers blickte zum Panoramabildschirm. Die ESS-1 flog im Augenblick über der Tagseite des
Planeten Griez, so daß ein ziemlich deutliches Bild der Oberfläche übertragen werden konnte.
Der Oberst sah sich schweigend um.
Seine Blicke wanderten über jeden einzelnen Mann. Vor ihm, im Sessel, saß Leutnant Nashville,
ein junger temperamentvoller Offizier, das genaue Gegenteil zu Nomers.
»Sie können jetzt frühstücken, Leutnant«, sagte Nomers leise und klopfte Nashville auf die
Schulter.
»Danke, Sir«, sagte Nashville. Für sein Alter war er zu dick, sein aufgeschwemmtes Gesicht
wurde von einer großporigen Nase verunziert, auf der Schweißtröpfchen glänzten.
Erstaunlicherweise wirkte Nashville trotz seiner Fülle unglaublich beweglich.
Er erhob sich und machte dem Oberst den Sessel frei. Für ihn stand fest, daß Nomers während
der Kontaktaufnahme mit der TRISTAN die Station persönlich leiten wollte.
Da er genau wußte, daß Nomers kein weiteres Wort verlieren würde, verschwand er mit kurzem
Kopfnicken aus der Zentrale. Nomers ließ sich im Sessel nieder, der sich sofort seinem Körper
anpaßte. Da er wußte, daß kein Besatzungsmitglied in unmittelbarer Nähe war, gestattete er sich
einen tiefen Seufzer.
Nach seinen Begriffen war die ESS-1 Teil eines Himmelfahrtskommandos.
Zwar hatte sie den Vorteil, nicht unmittelbar in das Geschehen eingreifen zu müssen, aber das
konnte einen strategisch denkenden Mann wie Nomers nicht beruhigen.
Der Oberst sah den Plan in seiner Gesamtheit. Der schwache Punkt daran war die TRISTAN. Nicht
etwa, daß dieses Schiff schlecht und unmodern oder seine Besatzung gewesen wäre, aber die
Aufgabe, die man ihm zugedacht hatte, erschien Nomers einfach undurchführbar.
Die TRISTAN sollte, das sah der Plan vor, in das Herz des zweiten Imperiums vorstoßen –
nach Verth!
Nomers dachte daran, wie gering die Chance war, daß ein fremdes Schiff in das
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