Silberband 020 - Kampf gegen die Blues
das, Sir? Die liegen sich in den Haaren. Wenn alles klappt, muß in zehn Minuten das
Schiff abstürzen, Sir – das wird aber spritzen!«
Ich warf Koko einen verweisenden Blick zu.
»Kümmere dich um deine Aufgabe«, sagte ich mit erhobener Stimme. »Das Boot krängt um fast ein
Grad nach Steuerbord.«
»Verzeihung, Sir. Irrtum, Sir. Du stehst schief. Der atmosphärische Überdruck innerhalb der
Zelle übt einen Stau auf deinen Gleichgewichtssinn aus. Der Überdruck muß aber sein, da wir
ständig in einer Wassertiefe von dreißig Metern leben. Da ein sehr schneller Druckausgleich nach
längerem Aufenthalt nicht angemessen ist, kommt es also innerhalb deiner organischen und daher
empfindlichen Ohren zu einer …!«
»Aufhören!« unterbrach ich ihn.
Kokos halbtransparente Gehirnumhüllung begann zu leuchten; ein Zeichen für eine angestrengte
›Geistestätigkeit‹.
»Der Begriff ›aufhören‹ bezieht sich auf die Beendigung einer Tätigkeit; also auch auf die des
Sprechens, das wiederum ein Folgeprodukt organisch-geistiger oder mechanisch ablaufender
Denkvorgänge ist. Wenn ich in der Tat ›aufhören‹ soll, so ist das nach den Richtlinien meiner
Logik identisch mit dem Befehl zu meiner sofortigen Selbstvernichtung, denn ohne denken zu
dürfen, bin ich so gut wie tot. Verstehst du das, Sir?«
Ich sah den Birnenkopf mit der Fassungslosigkeit an, die mich immer dann überfiel, wenn er zu
seiner Robotlogik Zuflucht nahm.
»Nein, das verstehe ich nicht. Wenigstens will ich es nicht akzeptieren.«
»Das ist, mit Verlaub gesagt, Sir, ein Zeichen unklarer Überlegungsprozesse. Du hast mir
befohlen, ›aufzuhören‹. Also muß ich mich vernichten. Soll ich mich vernichten?«
»Nein!«
»Wirklich nicht, Sir?«
»Nein!« sagte ich etwas lauter. Meine Stimme begann zu zittern. Die Lautsprecher der optischen
Energietasteranzeige drohten zu bersten. Im Raum über Gatas tobte noch immer die Schlacht.
»Sage es deutlicher, Sir. Ein Nein ist nicht bindend. Es kann den einmal gegebenen,
eindeutigen Befehl nicht aufheben.«
»Ich sage auch nur nein.«
»Sir, widerrufe den Befehl«, beschwor mich der Birnenkopf. Bittend erhob er die dünnen
Metallarme.
Ich wollte nur noch meine Ruhe haben und widerrief den Befehl. Koko war glücklich und begann
erneut zu plappern. Glücklicherweise nicht mehr im Rahmen seiner positronischen Logik, auf die
man so schlecht eingehen konnte.
Eine Sekunde lang dachte ich an den ertrusischen Überriesen Melbar Kasom. Wenn er Kokos
Argumente gehört hätte, wäre Kasom wahrscheinlich wieder in ein Gelächter ausgebrochen, das auf
mein hochempfindliches Gehör wie das Donnern einer Atomexplosion wirkte.
Melbar Kasom, Oberleutnant und Spezialist der USO, war überhaupt zu einem Problem erster
Ordnung geworden.
Was glauben Sie wohl, was ein Mann von 16,3 Zentnern Körpergewicht, 2,51 Metern Größe und mit
einer Schulterbreite von 2,13 Metern alles essen kann?
Unsere stolze LUVINNO durchmaß sechs Meter. Wenn wir den von ihrer Hülle umschlossenen
Hohlraum ausschließlich mit Lebensmitteln und nicht mit Maschinen aller Art angefüllt hätten,
wäre Kasom wahrscheinlich vier Wochen lang damit ausgekommen. Bei äußerster Sparsamkeit!
Da wir aber nur Laderäume besaßen, die nach den Begriffen dieses überheblichen Menschen
›bessere Keksdosen‹ waren, hatte ich mich schon wenige Stunden nach Melbars Befreiung dazu
entschließen müssen, Fischfangkommandos in die Tiefen des Meeres zu schicken.
Neuerdings mußten wir die LUVINNO einsetzen, da nur mit ihren Waffen die Ungeheuer der Tiefe
erlegt werden konnten. Kasom beschwerte sich bitter über die tägliche Fischration. Über den hohen
Eiweißgehalt dieser Nahrung schien er nichts zu wissen. Andere Stoffe wurden seinem Körper durch
Konzentrate zugefügt, aber damit war er auch nicht zufrieden. Ich kann Sie nur davor warnen,
jemals einen umweltangepaßten Ertrusgeborenen einzuladen.
Koko konzentrierte sich auf unsere Eigenortung. Wir konnten die Raumflugkörper nicht
ausmachen.
Das Boot stand in nur fünf Metern Wassertiefe. Die Insel, bei der das Schiff programmgemäß
abstürzen sollte, war etwa zehn Kilometer entfernt. Sie war ein unbewohntes, vegetationsloses
Felseiland.
Wir verfolgten die Ereignisse im Raum. Immer wieder fragte ich mich, was in meiner Abwesenheit
geschehen war. Hatten die Blues die Initiative ergriffen, nachdem sie vorher nur beobachtet
hatten?
Meine Gedanken drehten sich
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