Silberband 027 - Andromeda
»Dort drüben liegen nur Menschen.
Menschen, Atlan! Begreifst du, was das bedeutet?«
»Nein.«
»Vielleicht wirst du es bald merken. Gucky und Baar Lun sind nicht bei den Gefangenen.«
»Dann sind sie tot«, entgegnete Atlan.
»Oder sie haben sich totgestellt. Ihren mutierten Gehirnen kann das nicht schwergefallen sein.
Ich glaube, wir werden bald von ihnen hören.«
11.
Das Bluul wölbte seinen Körper dem Glutsturm entgegen.
Der ganze Horizont war in blauviolettes Feuer gehüllt. Eine niedrige Front
schwarzen Staubes kroch schwerfällig wie kochende Lava heran. Sie prallte gleich einer massiven
Mauer gegen den gebuckelten Rücken des Bluul, flammte gelblich auf und wurde von
gravitoenergetischen Stoßwellen abgestoßen. Das Bluul mochte den Staub nicht. Es wartete auf die
Glut …
Am blauviolett leuchtenden Horizont entstand plötzlich eine gigantische, in
allen Farben des Spektrums schillernde Blase. Sie schwoll mit rasender Geschwindigkeit an, dehnte
sich bis in die obersten Schichten der Atmosphäre und zerriß die Wolken aus Magnesiumchlorid zu
flackernden Fetzen.
Es war ein phantastisches Naturschauspiel. Für Menschen absolut tödlich,
emittierte die schillernde Blase riesige Mengen an harter Gammastrahlung.
Das Bluul reckte und dehnte sich behaglich, als die Strahlenschauer über seinen
amorphen Körper hinwegrasten. Es hatte lange gehungert, beinahe zu lange. Doch der heutige
Energieausbruch entschädigte es für sein geduldiges Ausharren. Es wölbte sich selbst nahezu
blasenförmig auf, wiegte sich hin und her und neigte sich der aufstrebenden Glut zu. In der
schillernden Blase bildete sich ein wirbelnder, dunkler Fleck – dann brach das aufgeblähte
Gebilde donnernd in sich zusammen. Dick aufwallender Staub umhüllte den schattengrauen Körper des
Bluul. Ihm dichtauf folgte die heiße Glutwelle wie eine fürchterlich strudelnde Brandung.
Noch höher hob sich das fladenförmige Wesen. Es zitterte vor Begierde, als Hitze
und harte Strahlung über ihm zusammenbrachen. Das Bluul nahm Strahlung auf, verwandelte sie in
einem besonderen Körperorgan zu Gravitationsenergie und hielt mit der neugewonnenen Kraft den
radioaktiven Glutsturm an sich gefesselt. Wie ein kontinentgroßer Schild ragte die Oberfläche des
Bluul aus dem leuchtenden Meer tobender Energie.
Als die Kraft des Glutsturms aufgezehrt war, ging vom Bluul ein silbriges
Leuchten aus. Gesättigt dehnte und streckte es sich, erhob sich in die sturmgepeitschte
Atmosphäre wie ein gigantischer Flugdrache, schwebte mit wellenförmigen Bewegungen davon und
legte sich schließlich auf den Krater, den der Ausbruch radioaktiver Energie in die harte
Planetenkruste gerissen hatte. Behaglich nahm es den Rest der Strahlung in sich auf.
Jählings ging ein heftiges Zucken durch den ausgebreiteten Leib.
Das Bluul streckte schwankende Pseudopodien aus. Die lichtgrauen Gebilde stiegen
gleich riesenhaften Rüsseln empor. Ihre verdickten Enden verfärbten sich schwarz, als sie in das
Vakuum des Raumes hinausstießen. Eine Weile wogten sie wie unentschlossen hin und her. Dann
hatten sie ihr Ziel gefunden. Sie richteten sich auf ein grünlich blinkendes Etwas und empfingen
die Botschaft über den trennenden Abgrund der Nacht hinweg.
Eigentlich war es keine willkürlich gesendete Botschaft. Eher hätte man von
einer verworrenen geistigen Ausstrahlung sprechen können, einer Ausstrahlung, die in ihrer
Gesamtheit dennoch ein verständliches Bild im Wahrnehmungszentrum des Bluul zeichnete.
Die unbewußt und ungerichtet gesendete Botschaft war von starken Emotionen
durchdrungen. Hervorstechendste Gefühlsregung schien frohlockender Triumph zu sein.
Doch das Bluul ließ sich davon nicht täuschen. Es ›hörte‹ die Untertöne der
Angst und der Ungewißheit heraus und erkannte auch, welche unterschwelligen Befürchtungen das
Praem hegte. Im Unterschied zum Praem vermochte das Bluul bewußt vorauszuplanen und mit den
Wahrscheinlichkeiten zu rechnen. Es kam zu dem Schluß, daß die Bedrohung noch immer
gegenständlich war, auch wenn ihre Quelle sich scheinbar ins Staubmeer zurückgezogen hatte. Die
Quelle der Bedrohung würde wiederkommen, wenn die Individualwesen ähnlich dachten wie das Bluul
und seine Mutterstufe, das Praem.
Das Bluul kannte die Schwächen des Praem besser als die Mutterstufe selbst. Aber
obwohl es geistig weit über ihm stand, fühlte es sich mit ihm gefühlsmäßig verbunden. Die Drohung
mußte
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