Silberband 027 - Andromeda
sein – denn der Mausbiber lebte und schien ebensowenig verletzt zu sein wie er, Baar Lun,
selbst.
Behutsam strichen Luns Finger über Guckys Kopf. Die Lider des Mausbibers zuckten, doch der
Körper regte sich nicht. Baar Lun entfernte die Hermetik-Manschette von Guckys Handgelenk und
fühlte nach dem Puls. Er war deutlich zu spüren.
Der Modul atmete auf.
Wenigstens war er nun nicht mehr allein.
Aber warum, wenn jemand die Lebenden fortgeschleppt hatte, ließ man den Mausbiber und ihn
zurück?
Baar Lun seufzte tief. Langsam ließ er Guckys Hand wieder sinken. Er würde warten müssen, bis
der Mausbiber aufwachte. Aber in der Zwischenzeit konnte er das Schiff inspizieren. Vielleicht
gab es in den anderen Räumen ebenfalls Überlebende der Katastrophe.
Er stieg die Treppenleiter zur Funkzentrale auf. Eine wilde Hoffnung beschleunigte seinen
Schritt. Wenn der Hyperkom oder auch nur der Telekom noch in Ordnung war, konnte er vielleicht
Hilfe herbeirufen!
Doch der erste Blick auf die zertrümmerten, von schleimigen Pflanzen überzogenen Geräte zeigte
ihm, daß seine Hoffnung vergebens gewesen war. Die Geräte würden ohne eine Generalüberholung
nicht mehr arbeiten. Zwischen einem losgerissenen Sessel und den Resten des Hyperkoms lag eine
verkrümmte Gestalt. Auch hier waren bereits die Schmarotzerpflanzen am Werk.
Baar Lun spürte das Würgen in seinem Magen. Rasch wandte er sich um und ging auf den Flur
hinaus. Dicht an dicht lagen hier die Mannschaftsräume. Der Modul riß eine Tür nach der anderen
auf, obwohl er wußte, daß zum Zeitpunkt des Absturzes jeder Mann der Besatzung auf seiner
Gefechtsstation gewesen war. Aber irgendwie klammerte er sich an eine verzweifelte Hoffnung, doch
noch einen Lebenden zu finden.
Wie nicht anders zu erwarten, enthielten die Kabinen außer stark beschädigtem Mobiliar und den
anscheinend überall haftenden Pflanzen nichts.
Baar Lun eilte um die gewölbte Panzerwand der Zentrale herum. Hier war es zum Teil dunkel.
Auch die Leuchtplatten der Notbeleuchtung schienen den Absturz nicht alle überstanden zu
haben.
Baar Lun tappte über harte und schleimige Pflanzen, riß sich aus tastenden Zweigtentakeln, die
sich um seine Glieder zu klammern versuchten. Er schrie entsetzt auf, als er plötzlich
strauchelte. Doch es war nur ein verbogenes Trümmerstück gewesen, über das sein Fuß gestolpert
war. Nach einer Weile erkannte er das Trümmerstück. Es handelte sich offenbar um das
herausgerissene, total verbogene Innenschott der Hauptschleuse. Auf allen vieren kroch Baar Lun
darum herum. Hier brannte überhaupt keine Notbeleuchtung mehr. Dennoch kam von vorn ein
grünlicher Lichtschimmer.
Anfänglich dachte Baar Lun, das Außenschott der Schleuse stünde offen. Bald jedoch mußte er
seinen Irrtum erkennen. Das Außenschott war geschlossen. Doch daneben, in der
Terkonitstahlwandung der Schiffshülle, klaffte ein breiter Spalt. Das Beiboot mußte mit
ungeheurer Wucht aufgeschlagen sein.
Der Modul runzelte die Stirn.
Eigentlich hätte die Korvette völlig zu Bruch gehen müssen. Ein Sturz aus fast einem Kilometer
Höhe reichte dazu aus. Warum also war das nicht geschehen?
Er entdeckte die Antwort, als er den Kopf aus dem Spalt steckte.
Ringsum war nichts als dichter Dschungel. Nur schwaches, grünliches Licht schimmerte durch das
zerrissene Blätterdach. Doch bald mußte es wieder dunkel sein. Von allen Seiten schlangen sich
riesige Pflanzen um die Sechzig-Meter-Kugel des Beibootes. Sie zogen das Schiff allmählich in die
Tiefe und schlossen die Lücke, die es bei seinem Sturz gerissen hatte.
Wie hypnotisiert starrte Baar Lun auf eine schlangenähnliche Pflanze, die langsam auf ihn zu
kroch. Dieser Art war er innerhalb des Schiffes nicht begegnet.
Plötzlich schnellte die Pflanze vor, umschlang sein Bein – und dann jagte ein heftiger
elektrischer Schock durch den Körper des Moduls.
Baar Lun reagierte instinktiv.
Um die Pflanze bildete sich eine Wolke atomaren Wasserstoffs. Gleichzeitig wurde es kälter.
Die elektrischen Schockschläge hörten augenblicklich auf. Die Pflanze fiel zu Boden, rutschte
über einen verbeulten Rahmen und stürzte in den Dschungel zurück.
Baar Lun keuchte.
Mit weit aufgerissenen Augen blickte er in die grüne Hölle hinaus. Er ahnte, daß alles viel
komplizierter war, als es zuerst den Anschein erweckt hatte. Dort draußen lauerte nicht nur
tödliche Gefahr, sondern das Grauen an sich.
Vorsichtig zog
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