Silberband 028 - Lemuria
der mittelamerikanischen Felsbrücke stark
eingeengt.
»Das ist alles noch erträglich«, meinte Perry leise. »Aber was jetzt kommt, das verschlägt mir
die Sprache. Das ist ja ein riesiger Kontinent.«
Wir erblickten Lemuria! Dieses Land hing fest mit den amerikanischen Westküsten zusammen und
erstreckte sich aus dem tiefsten Süden bis hinauf zu den kanadischen Nordgebieten. Lemuria war
wesentlich größer als das spätere Asien.
Überall sahen wir moderne Großstädte, die im Norden und Süden von den vordringenden
Gletscherwogen schon überrollt waren. Dort unten mußte das Chaos herrschen. Ich konnte mir
vorstellen, wie es sein muß, wenn ein hochtechnisierter Kontinent im Zeitraum weniger Jahrzehnte
plötzlich von einer Eiszeit überrascht wird.
Die nächsten Kursanweisungen kamen durch. Unter uns glitten wundervolle Landschaften vorüber.
Die Städte der Äquatorzone waren noch eisfrei, aber auch hier wehte der scharfe Wind, der die an
hohe Temperaturen gewohnten Bewohner frösteln ließ. Wir erlebten den Untergang einer großartigen
Kultur.
Raumschiff über Raumschiff stieß aus der wolkenverhangenen Atmosphäre hinab. Andere Einheiten
starteten von zahlreichen Raumhäfen aus. Wir wurden etwa zwanzigmal umdirigiert, um den
Kugelschiffen nicht den Weg zu verlegen. Die Fluchtbewegung war in vollem Gange.
Hier und da orteten wir radioaktiv verseuchte Zonen. Dort mußten schwere Kernbomben gefallen
sein. Tausende von Abwehrforts, deren nachstrahlende Geschützmündungen wirre Linien auf die
Schirme unserer Energietaster zeichneten, wiesen aus, daß die Lemurer stündlich mit einem
erneuten Blitzangriff aus dem Raum rechneten. Wenn ich daran dachte, daß dies Rhodans und auch
meine frühen Vorfahren waren, überlief mich ein kalter Schauer.
Nach der Überquerung einer weiteren Todeszone von der Größe des bekannten Europa wurden wir
endlich zu einem der vielen Häfen geleitet. Rhodan riß sich aus seiner Versunkenheit, fuhr sich
mit dem Handrücken über die Augen und sagte schließlich:
»Es ist zwecklos und auch gefährlich, trüben Gedanken nachzuhängen. Wir werden uns umsehen, zu
ermitteln versuchen, in welchem Jahr vor Christi Geburt wir uns befinden, und anschließend wieder
starten. Mehr haben wir hier nicht verloren. Atlan, es tut mir leid, daß du diesem Admiral
Tughmon vorgegaukelt hast, er könne im Andromedanebel die Unterlagen für neue Waffen
erhalten.«
»Diese Leute da unten sind seit fünfzigtausend Jahren tot«, mahnte Icho Tolot. »Lassen Sie
sich nicht von unangebrachten Gefühlen hinreißen, Rhodan. Es schadet uns allen. Für uns hat nur
die Realzeit zu existieren.«
Rhodan hob hilflos die Schultern.
»Das begreift nur mein Verstand. Meine Gefühle reagieren auf alles, was meine Augen sehen. Es
ist fürchterlich, Tolot – da unten sind Menschen, verstehen Sie? Das sind meine
Vorväter.«
»Sie sind seit fünfzigtausend Jahren tot!« beharrte der Haluter unerschütterlich auf seiner
Meinung.
Eine Viertelstunde später herrschte an Bord wieder ›Zustand‹. Die Landung erfolgte auf einem
Raumhafen, dessen Grenzen wir nicht überschauen konnten. Auf den verschiedenfarbig markierten
Pisten standen Kugelraumschiffe aller Größenordnungen und Konstruktionen.
Wir beobachteten eine frierende Menschenschlange, die geduldig vor den Schleusen eines
Großtransporters wartete und die Kontrolle durch Roboter gleichmütig über sich ergehen ließ. Dies
mußte einer der Flüchtlingstransporte sein, von denen Admiral Hakhat gesprochen hatte.
Die CREST III setzte mit weitgespreizten Landebeinen auf. Niemand schien sich um uns zu
kümmern. Die Bodenstation gab lediglich bekannt, der für die Versorgung der Kriegs- und
Handelsflotte verantwortliche Tamrat hätte sich entschlossen, persönlich an Bord zu kommen und
die Gäste aus dem Inselraum zu begrüßen. Sein Name sei Orghon. Er würde weitere Informationen
geben.
Nach einer halben Stunde war der sogenannte Tamrat noch immer nicht eingetroffen. Draußen
rührte sich nichts. Es war, als wäre die gewaltige CREST kaum bemerkt worden.
»Ich werde langsam nervös«, meldete sich Gucky, der soeben von einem kleinen Ausflug
zurückkam. »Die Leute hier haben sich zwar über die Größe des Schiffs gewundert, aber sonst
verschwenden sie keinen Gedanken an uns. Jedermann ist darauf eingestellt, möglichst schnell
einen Transportschein zu bekommen. Aus den Gesprächen einiger Offiziere habe ich
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