Silberband 029 - Der Zeitagent
vulkanische Quelle.
Als Hawk herauskletterte, war sein Körper sauber und glänzte so ölig wie immer.
Erst dann ging er dem anderen entgegen. Er grinste freundlich.
»Hallo, Lun! Sie alter Dunkelweltler! Was treibt Sie denn an diese reizvolle Stätte?«
Baar Lun lächelte höflich. Vorsichtig nahm er die große Hand des Oxtorners und schüttelte
sie.
»Was für Leute Ihres Schlages reizvoll ist, braucht es für normale Menschen noch lange nicht
zu sein, Hawk.«
Den Modul und Hawk verband eine distanzierte Freundschaft, wie sie nur zwischen geistig sehr
regen Menschen mit hohen Idealen vorkommt. Außerdem wichen beide von der Norm ab; beide waren
keine Terraner, wenn auch ihre Abstammung auf die gleiche Linie zurückging. Und beide besaßen sie
Fähigkeiten, die sie weit über Normalmenschen hinaushob.
Der Okrill knurrte und schaute zu dem Flatteräffchen hinauf, das auf einem überhängenden Ast
hockte und mit großen, roten Früchten nach ihm warf. Die Früchte waren steinhart, doch Sherlocks
Schädel war noch weit härter. Krachend zersprangen die glänzendroten Kugeln. Das Flatteräffchen
keckerte schelmisch, richtete sich auf und streckte den Unterleib vor. Ein dünner, silberweißer
Faden schoß aus der Bauchdrüse und wickelte sich um den Schädel des Okrill. Sherlock schüttelte
sich. Der Faden zerriß mit einem singenden Laut. Ärgerlich riß sich Sherlock die Reste ab. Danach
sprang er den nur schenkeldicken Baum an, auf dem das Äffchen saß. Knirschend gab der Stamm
nach.
Das Flatteräffchen stieß einige Laute aus, die dem Knurren des Okrill verblüffend ähnelten. Es
breitete die lederhäutigen Schwingen aus, stieß sich von dem stürzenden Baum ab und segelte dicht
an Sherlocks Maul vorbei.
Der Okrill hätte das kaum unterarmlange Tier mühelos greifen können. Aber seltsamerweise
verzichtete er darauf. Er wich sogar behende aus, als der Dschungelbewohner einen zweiten
Scheinangriff flog. Kurz darauf krachten die nächsten Früchte gegen seinen Schädel. Das Spiel
begann von neuem.
»So kenne ich Ihre Bestie noch gar nicht, Hawk«, sagte Baar Lun verwundert. »Offensichtlich
spielen die beiden Tiere miteinander, oder …?«
Omar Hawk stieg in seine Uniformkombi aus leichtem Oxtorniumplastikgewebe. Der Anzug schloß
hermetisch ab und konnte als Raumanzug dienen, wenn man die Helmkapuze überstreifte.
»Es scheint so«, beantwortete er Luns Frage. »Dieser Affe ist übrigens das einzige Tier, mit
dem Sherlock sich zum Spiel herabläßt – außer Gucky natürlich; aber ich möchte den Mausbiber
nicht gern als Tier bezeichnen.«
Der Modul lachte.
Omar streifte die Ärmel hoch. Danach schnallte er sich den breiten Waffengurt mit dem schweren
Kombistrahler um. Die Stiefel aus Terkonitonplastik, die er dann über die Füße zog, waren
normalerweise unnötig. Der Anzug besaß eingearbeitete Schuhe. Doch die waren relativ dünn; aus
diesem Grund trugen sowohl Hawk als auch Lun zusätzliche Stiefel.
»So!« sagte der Oxtorner, als er auch die Schultergurte befestigt hatte. »Das Bad hat wieder
einmal erfrischt. Nun geht es ein Stück in den Dschungel. Kommen Sie mit, Lun?«
Baar Lun ging nicht sofort darauf ein.
»Eigenartige Ansichten haben Sie über Bäder und Erfrischungen, das muß ich schon sagen. Mich
bekäme niemand dazu, freiwillig in diesem Schlammtümpel zu baden – schon gar nicht ohne
Raumanzug. Ich frage mich nur, wie darin überhaupt Lebewesen existieren können.«
»Anpassung!« erwiderte Omar trocken. »Die Tendenz der Entwicklung geht anscheinend überall zum
Leben hin, und der Einfallsreichtum der Natur ist unerschöpflich. – Aber ich hatte Sie etwas
gefragt …«
Der Modul wandte sich um und blickte durch die Infrarotsichtscheibe seines Helms dorthin, wo
blutrote Lichter durch den Nebel glühten: die Infrarotpositionsscheinwerfer der CREST III.
»Gut, ich komme mit, Hawk. Aber nicht allzu weit, damit wir im Fall einer Gefahr schnellstens
zur CREST zurückkehren können.«
Hawk lachte rauh. Seit dem Friedensschluß zwischen den Menschen und den Geisterwolken waren
erst knapp sechs Stunden vergangen. Inzwischen hatten diese Wesen Pigell verlassen. Und irgendwo
auf dieser Welt sollte noch ein bisher unbekannter Gegner lauern.
»Das ist auch nicht meine Absicht«, gab der Oxtorner zu verstehen. »Außerdem gehöre ich zu den
Leuten, die die Umgebung der Zeitstation abpatrouillieren sollen.«
»Oh …!« Lun gab seinen Worten einen
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