Silberband 032 - Die letzte Bastion
jetzt
fast unmittelbar über der mutmaßlichen Deckung des Arkoniden befand.
Ihre Augen verengten sich, als sie ihren Gegner plötzlich unter einem Isolationsschutz
hervorspringen sah. Atlan gab drei Schüsse ab und warf sich wieder zu Boden. Er hatte nicht auf
sie gezielt, sondern auf die Halterungen des Laufstegs. Der Steg begann zu schwanken. Hastig
schaltete Mirona ihren Flugantrieb ein. Sie prallte gegen ein Leitungsrohr, das über ihr quer
durch die Halle führte. Benommen versuchte sie sich festzuhalten, doch ihre Hände glitten an dem
glatten Material ab. Sie verlor die Kontrolle über ihren Flug und geriet zwischen einige Rohre
unmittelbar unter der Decke. Neben ihr blitzte es auf. Der Arkonide hatte erkannt, daß sich seine
Widersacherin in denkbar ungünstiger Lage befand und nahm sie unter Beschuß.
Endlich gelang es ihr, die Beschleunigung zu vermindern. Sie ließ sich über ein meterdickes
Rohr gleiten und sank darauf nieder. Atlan schoß noch immer, aber er lief Gefahr, von
herabfallenden Rohrteilen getroffen zu werden. Mirona arbeitete sich in liegender Haltung weiter
und erreichte schließlich die Hallenwand. Hier richtete sie sich auf und zwängte sich in eine
halbrunde Vertiefung.
Sie konnte Atlan nicht sehen, aber sie war sicher, daß er sie aus den Augen verloren hatte.
Die herabfallenden Rohrleitungstrümmer hatten sie auf eine Idee gebracht. Sie löste den Flansch
des großen Rohres von der Kupplung in der Wandnische. Das Rohr sackte einen halben Meter ab,
wurde aber dann vom nächsten Flanschteil gehalten. Mirona bemühte sich, eine Lage zu finden, in
der sie gut zielen konnte. Wenn sie mit ihrem Impulsstrahler den nächsten Flansch abtrennte,
mußte das zehn Meter lange und einen Meter durchmessende Rohrstück in die Tiefe stürzen. Es würde
die Schutzverkleidungen der Energiespeicher zum Teil vernichten. Wenn sie Glück hatte, konnte sie
Atlan auf diese Weise ausschalten. Zumindest zwang sie ihn, seine Deckung zu verlassen.
Eng zusammengekrümmt kauerte sie an ihrem Platz. Wenn sie ausrutschte, mußte sie wieder ihr
Flugaggregat benutzen, um sich in Sicherheit zu bringen.
Sie zielte auf den Flansch und stellte ihre Waffe auf Dauerfeuer ein. Zweifellos begriff der
Arkonide sofort, was sie beabsichtigte, aber sie glaubte nicht, daß er es wagte, seine Deckung zu
verlassen.
Das Rohr kippte ab. Sein Gewicht genügte, um die wenigen Zentimeter, die es noch hielten,
einfach abzureißen. Mirona beugte sich vor, um den Aufschlag zu beobachten.
Das Rohr traf vertikal auf, bohrte sich mit einem explosionsartigen Knall zwischen einige
Halterungen und fiel dann, ein Gewirr von Blechabdeckungen mit sich reißend, quer über die
Speicheranlagen. Es kam zu einer Anzahl von Kurzschlüssen. Qualmwolken stiegen auf. Der Geruch
nach verbrannter Isolation breitete sich aus.
Mirona lauschte. Sie hörte das Knacken des überbeanspruchten Materials, das Knistern
stromgeladener Kabelenden auf Metall. Kein Schmerzensschrei übertönte diese Geräusche. Nichts
bewegte sich unten in der Halle.
Die Frau, die lange Zeit das Sulvy-System als Hoher Tamrat regiert hatte, schwang sich aus
ihrem Versteck und schwebte mit eingeschaltetem Flugantrieb nach unten. Sie war bereit,
blitzartig auszuweichen, wenn Atlan unverhofft auftauchen sollte.
Der Gedanke, daß der Lordadmiral tot sein könnte, ließ sie eine plötzliche Leere empfinden.
Ihre Lippen preßten sich fest zusammen.
Als sie endlich zwischen den Trümmern landete, war ihre Kehle zugeschnürt und ihr Mund
ausgetrocknet. Ihr Herz schlug heftig. Sie vergaß jede Vorsicht. Sie zwängte sich zwischen
einigen zusammengebrochenen Einzelteilen der Speicheranlage hindurch.
Da sah sie ihn liegen.
Sein Körper ragte nur zur Hälfte unter einigen spulenförmigen Metallstücken hervor. Atlans
Kopf hing schlaff nach hinten. Aus einer Stirnwunde kam Blut.
Er ist tot! durchzuckte es Mironas Gehirn.
Eine Minute, die ihr endlos vorkam, stand sie da und starrte auf den Arkoniden hinunter.
Sie hatte ihre Liebe verloren, aber ihre Macht behalten.
30.
Er erlangte sein Bewußtsein nicht plötzlich wieder, so daß er mit einem Schlag
begriffen hätte, was geschehen war. Der Nebel, der seinen Verstand umhüllte, lockerte sich nur
allmählich und ließ nur sporadische Sinneseindrücke zu.
Als erstes empfand er heftige Kopfschmerzen. Bereits sein zweiter Gedanke, der ihn für
Sekunden in die Wirklichkeit zurückholte, galt Mirona Thetin.
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