Silberband 032 - Die letzte Bastion
wenig leiden konnte, daß jemand sein Licht unter
den Scheffel zu stellen versuchte.
»Nicht die rohe Gewalt, sondern der Geist ist der entscheidende Faktor. Sie haben es ja bei
unserer Auseinandersetzung gesehen: Keiner hat versucht, seine Körperkräfte auszuspielen.«
Melbar Kasom strich behutsam über seine sandfarbene Sichellocke, die sich von der Stirn bis
ins Genick zog und der einzige Körperteil des Ertrusers war, den er mit Hingabe und Eitelkeit
pflegte.
Anschließend legte er die Hand auf die Magengegend und verzog das Gesicht zu einer Grimasse
des Schmerzes.
»Ich schlage vor, wir gehen erst einmal einen Bissen essen, Omar. Wie denken Sie darüber?«
»Einverstanden. Mein Magen knurrt ebenfalls schon seit dem Frühstück. Sehen wir zu, daß wir
etwas Nahrhaftes bekommen.«
Auf allen größeren Raumschiffen der Solaren Flotte gab es besondere Speiseräume für
Umweltangepaßte mit überdurchschnittlichem Nahrungsbedarf und für Kolonialterraner mit
fremdartigem Metabolismus. Es wäre unzumutbar für beide Seiten gewesen, ständig gemeinsam zu
speisen. So vertrugen es beispielsweise die wenigsten Erdgeborenen, neben einem Umweltangepaßten
von Sapiskaja oder ähnlich gearteten Welten zu sitzen und zuzusehen, wie diese Leute ihren
halbverwesten, violett schillernden Brei aus quallenartigen Meerestieren zu sich nahmen. Allein
der Geruch hätte bereits unwiderstehlichen Brechreiz hervorgerufen …
Andererseits bedurfte der Metabolismus von Extremweltlern gewisser besonderer organischer
Verbindungen, ohne die sie nur kurze Zeit existieren konnten – und noch vermochte man nicht
alles synthetisch herzustellen.
Melbar Kasom allerdings aß alles, was ihm vorgesetzt wurde – von arguontisischen
Schleimigeln über gebackenen Gigaschneckenspeichel bis zu handfestem terranischen Rinderbraten.
Seltsamerweise vertrug er auch alles – oder jedenfalls fast alles.
Er bestellte sich bescheidenerweise diesmal nur einen gegrillten Truthahn und als Vorspeise
etwa sechs Pfund gemischten Salat.
Omar Hawk bedurfte gewisser Spezialitäten. Er aß eine Speise, die aus etwa vier Kilogramm
stark gesalzenem durchgedrehtem Fisch bestand und außer ungeräuchertem Speck und oxtornischer
Mamuleber ungefähr zwei Liter gegorener Pilzmaische aus der oxtornischen Produktion enthielt. Er
benötigte von Zeit zu Zeit diese Spezialitäten, denn sein Metabolismus mußte schließlich Muskeln
von der Festigkeit normalen Metallplastiks und Knochen mit der Härte von Terkonitstahl
erhalten.
Die vier Epsaler am Nebentisch nahmen sich gegen die beiden Agenten direkt armselig aus. Sie
verzehrten lange Streifen halbverkohlten Fleisches und tranken dazu ein Getränk, das ein
Chemiestudent nach sehr vorsichtigem Kosten wahrscheinlich als Mischung aus hochprozentigem Essig
mit Salzlake definiert hätte …
Als die Sechzig-Meter-Korvette KI-USO-42 in einem Seitenarm des Andromedanebels aus
dem Linearraum fiel, wußte Captain Mines Horan sofort, daß er mitten in einem Wespennest gelandet
war.
Horans Schiff gehörte zu den ausgeschleusten Beibooten der IMPERATOR, die auf der Suche nach
dem Luum-System waren. Die Faust des Captains schlug auf die Schaltplatte der Alarmanlage.
Überall in den Räumen und Gängen des Beibootes begannen die Alarmpfeifen zu schrillen. Die
Geschützluken öffneten sich, und die Zielerfassungstaster suchten nach einem Gegner.
Aber von einem Gegner war nichts zu sehen.
Nur die münzengroße Scheibe einer blaßgelben Sonne strahlte im Backbordschirm, und die
Hypertaster registrierten drei Planeten. Nummer eins war sehr klein und besaß eine nahezu
glutflüssige Oberfläche. Nummer zwei schien erdähnliche Bedingungen aufzuweisen, Nummer drei
wurde als Wasserstoff-Methan-Riese erkannt.
Das waren genau die Daten der Zentralwelt der MdI!
Captain Horan saß fast eine Minute lang unbeweglich in seinem Konturensessel, die Hand immer
noch auf der Schaltplatte der Alarmanlage. Es sah aus, als hätte ihn der Schock gelähmt.
In Wirklichkeit jedoch arbeitete sein Gehirn so präzise wie immer. Mines Horan machte sich
nicht die geringsten Illusionen. Er wußte, daß die MdI ihr Zentralsystem so gesichert haben
würden wie keine andere ihrer Bastionen. Und da der Captain über die anderen Festungen der
Meister der Insel und ihrer Hilfstruppen recht gut informiert war, zweifelte er nicht daran, daß
man sein Schiff in dem Augenblick geortet hatte, als es aus dem Linearraum
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