Silberband 034 - Die Kristallagenten
Kampfnarben, und er zeigte sie voller Stolz.
»Steht auf!« knurrte Sharett scharf. »Folgt mir in die Hütte!«
Sie bewegten sich widerwillig. Sie erhoben sich und begannen sich zu strecken. Dabei gähnten
und seufzten sie. Sharett ließ ihnen Zeit. Der Stolz eines Gurrads ließ nicht zu, daß man ihn
drängte.
»Was wollen Sie, Headman?« fragte einer der beiden jungen Männer. »Eine Rede halten?«
Sharett hörte den Spott aus der Stimme des anderen heraus und ignorierte ihn. Er war es
gewohnt, von allen Seiten angegriffen zu werden. Man hatte ihn zum Headman gewählt, damit er sich
solche Ausfälligkeiten anhörte und nicht, damit er mit gleicher Heftigkeit reagierte.
»Vielleicht wollen Sie keine Rede halten«, sagte der andere Gurrad. »Es könnte sein, daß Sie
gegen einen von uns kämpfen wollen.«
Diesmal nahm Sharett die Herausforderung an. Er streckte sich und warf den Kopf in den Nacken.
Dann schüttelte er seine prächtige Mähne.
»Vielleicht will ich gegen Sie kämpfen«, sagte er ruhig und trat einen Schritt vor.
Der andere wich unwillkürlich zurück. Sharett hatte seine körperliche Kraft nie in den
Vordergrund gestellt, aber er wußte, daß er sie besaß und sich darauf verlassen konnte. Die
anderen spürten diese Selbstsicherheit und ahnten, woher Sharett sie bezog.
»Kommen Sie mit herein«, schlug der junge Gurrad ausweichend vor. »Dort werden Sie jemand
finden, der gegen Sie antritt.«
Gabal Al Sharett unterdrückte ein Lächeln. Das war genau die Antwort, mit der er gerechnet
hatte.
Sie traten ein. Im Innern der Unterkunft war es fast dunkel. Die Luft kam Sharett stickig vor.
Das Dach war an verschiedenen Stellen durchlöchert. Man hörte den Regen herabtropfen. Einige
Gurrads schliefen, andere waren mit primitiven Spielen beschäftigt.
»In der vergangenen Nacht wurde in der Unterkunft der jungen Kämpfer wenig geschlafen«, begann
Sharett ohne Umschweife. »Ich kann mir vorstellen, daß Sie zusammengesessen und Fluchtpläne
geschmiedet haben. Ich will darüber informiert werden, welche Absichten Sie haben.«
Er begegnete unheilvollem Schweigen. Er stand unmittelbar vor der Tür, so daß er sich deutlich
gegen das graue Dämmerlicht abzeichnete. Er hatte diese Position absichtlich gewählt, weil er
wußte, daß er auf diese Weise die Aufmerksamkeit besser auf sich konzentrieren konnte.
»Vielleicht«, fuhr er gelassen fort, »wäre es besser, wenn Sie Ihre Waffen bei mir
ablieferten.«
Das Schweigen schien sich noch zu vertiefen. Sharett glaubte zu spüren, wie sich die Körper
der Gurrads versteiften.
Sharett wußte, daß er den Widerstand der jungen Kämpfer brechen mußte, wenn er nicht das Leben
aller Gefangenen aufs Spiel setzen wollte.
»Kommen Sie zu mir, Perrahat!« befahl Sharett.
Clan Perrahat war der Sprecher der jungen Männer. Er besaß großen Einfluß auf die anderen. Er
war klein und hager, aber ungemein zäh. Er hatte bei einem Kampf einen Teil seiner Mähne
verloren. Perrahat galt als erbarmungsloser Kämpfer und als ein fanatischer Verfechter der Sache
der Gurrads. Sharett mochte ihn nicht, obwohl er die Erfolge des anderen anerkennen mußte.
»Was wollen Sie?« klang eine unangenehm hohe Stimme aus dem Hintergrund der Hütte.
»Mit Ihnen reden«, entgegnete Sharett.
»Dazu brauche ich nicht vor Ihnen zu stehen«, sagte Perrahat angriffslustig. »Sagen Sie, was
Sie uns zu sagen haben.«
Plötzlich fühlte sich Sharett von wildem Zorn gepackt. Seine Müdigkeit war verflogen. Er trug
die Verantwortung für dieses Lager, aber anstatt ihn zu unterstützen, betrachteten ihn Männer wie
Perrahat als Gegner und intrigierten gegen ihn.
»Kommen Sie zu mir!« sagte der Headman.
Irgend etwas am Klang seiner Stimme veranlaßte den jungen Gurrad zu gehorchen. Sharett hörte,
wie jemand in der Dunkelheit rumorte, dann tauchte die zierlich wirkende Gestalt Perrahats vor
ihm auf. Perrahats Gesicht wirkte unnatürlich; die Augen waren schräggestellt, und auf der Stirn
zeichneten sich wulstartige Falten.
Perrahat stützte eine Hand in die Hüfte, die andere streckte er Sharett entgegen.
Sharett unterdrückte seinen Widerwillen und klatschte mit seiner eigenen Hand gegen die des
jungen Mannes. Das war ein uralter Guerillagruß, der gegenseitige Achtung ausdrücken sollte.
Sharett befürchtete jedoch, daß Perrahat ihn vor den anderen lächerlich machen wollte.
»Was wollen Sie, Headman?« fragte Perrahat erneut.
»Es gefällt mir
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