Silberband 045 - Menschheit am Abgrund
und was der Dinge mehr waren, das alles gab es nicht mehr. Niemand durfte mehr ohne weiteres das Versteck in der Zukunft verlassen. Niemand durfte von draußen herein. Es gab keine Hyperkomverbindung mehr zu anderen von Menschen besiedelten Sonnensystemen.
Kurzum: Die Menschheit hatte sich gegen den interstellaren Bruderkrieg entschieden und für die Isolation; die Konsequenzen aber wurden ihr erst allmählich klar.
Psychische Spannungen waren gezielt aufgebaut, gelenkt und gelöst worden. Dokumentarberichte aus der Normalzeit gaben den fünfundzwanzig Milliarden Bewohnern des Solsystems die Gewißheit, daß ihre Entscheidung richtig gewesen war, daß sie sich zum Segen aller vernunftbegabten humanoiden Lebewesen der Galaxis auswirkte. Noch mehr: Die drei größten Tochterimperien der Menschheit, der Carsualsche Bund, das Imperium Dabrifa und die Zentralgalaktische Union gerieten mehr und mehr in einen Entwicklungssog, den ihre Machthaber indirekt selber ausgelöst hatten, als sie den Krieg und die Liquidierung der solaren Mutterwelten beschlossen. Drei gänzlich vom Militarismus beherrschte Imperien hatten plötzlich keinen gemeinsamen Gegner mehr, ganz wie von Perry Rhodan vorausgesehen. Damit entfielen die Faktoren, die sie bisher – in typisch imperialistisch-militaristischer Scheinlogik – zur Zusammenarbeit gezwungen hatten.
Was tun drei hungrige Wölfe, vor deren geifernden Rachen plötzlich der Bär verschwindet?
Langsam, aber stetig, begann das Bündnis zu zerbröckeln, sichtbar nur für diejenigen, die hinter die Kulissen zu schauen vermochten – und der Solare Abwehrdienst schaute hinter die Kulissen.
Die gesamte solare Menschheit wurde Zeuge, wie ihre Entscheidung Früchte trug, wie die Entwicklung zuungunsten der Diktatoren und zugunsten der Unterdrückten lief.
Das, was nur wenige geglaubt hatten, erfüllte sich: Die solare Menschheit fühlte sich durch eine Verschwörung miteinander verbunden: einer Verschwörung für die Freiheit und gegen die Unfreiheit, für den Frieden und gegen den Krieg, und gegen die Diktatoren.
Natürlich blieben die Menschen auf den solaren Planeten im Grunde die gleichen wie zuvor. Sie waren nicht plötzlich besser, edler oder reifer als die Menschen der extrasolaren Welten. Doch sie besaßen nun etwas, was die anderen Menschen nicht besaßen: das Kollektivbewußtsein ihrer gemeinsamen Verschwörung. Als Folge davon entwickelte sich ein Ehrenkodex. Es war eine Ehre, im ›Ghost-System‹ zu leben, und es wäre unehrenhaft gewesen, durch unbedachte oder egoistische Handlungen das große Geheimnis der solaren Menschheit zu gefährden.
So – oder so ähnlich – dachte jedenfalls die überwiegende Mehrheit.
Dennoch gab es natürlich, wie überall, Minderheiten, die nicht tolerant genug waren, Mehrheitsbeschlüsse zu akzeptieren und die demokratische Regel zu beachten, daß nach einer Abstimmung der Unterlegene seine Kräfte zur Verwirklichung der Mehrheitsbeschlüsse einzusetzen hat.
Nur wenige Menschen wußten das besser als Oberst Hubert S. Maurice. Er wußte, daß es genügend Fanatiker und Verschwörergruppen auch im Solsystem gab und daß das ihm anvertraute Leben Perry Rhodans immer und überall gefährdet sein würde, sobald er, Hubert Maurice selber, oder einer seiner Leute in ihrer Wachsamkeit nachließen.
Maurice zwängte sich zwischen zwei miteinander flüsternden Männern hindurch; der kleinere, mit dem ungewöhnlich großen Schädel und der schiefen Schulter, war Homer G. Adams. Der andere war Reginald Bull, trotz seines hohen Ranges und Alters impulsiv bei Debatten wie eh und je.
Jetzt jedoch brach Reginald Bull mitten im Wort ab und starrte hinter dem Abwehrspezialisten her.
Oberst Maurice kam bereits wieder zurück, in seinem Schlepptau einen Ausrüstungstechniker mit hochrotem Kopf, einen silbrig schimmernden Helm in der Hand.
Hubert Maurice trat Bull im Vorbeigehen auf den Fuß, sagte mechanisch und geistesabwesend ›Verzeihung‹ und hielt dicht vor dem Großadministrator an. Eine Fingerbewegung von ihm, und der Ausrüstungstechniker reichte ihm den Helm. Maurice überprüfte ihn und reichte ihn an Rhodan weiter.
»Bitte, Sir!«
Rhodan blickte den Oberst verwundert an.
»Was soll ich mit diesem Ding?«
»Setzen Sie ihn bitte auf, Sir«, flüsterte Hubert Maurice. Eine Schweißperle rann aus dem gepflegten Haar, einziges Anzeichen dafür, daß auch ein Mann wie Oberst Maurice Nerven besaß. »Es handelt sich um einen
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