Silberband 045 - Menschheit am Abgrund
handelte sich um ein Material, das noch widerstandsfähiger war als Terkonit. In der großen, langgestreckten Kammer gab es eine kleine Energiestation. Sie wurde durch eine Querwand von den anderen Räumen getrennt.
Einer von Hasselets Ingenieuren hatte den Reaktor stillgelegt. Die Schaltungen waren fremdartig, doch im Prinzip verständlich.
Anschließend war auch die Querwand aufgeschnitten worden. Und nun stand der Gefühlsmechaniker vor einem breiten, gut gepolsterten Liegebett, das auf allen Seiten von Projektormündungen umrahmt wurde. Sie glühten noch nach. Also hatten sie bis zum Auslaufen des Meilers gearbeitet.
An der Decke kreiste ein kugelförmiges Gerät. Es strahlte intensiv. Der auf dem Tisch liegende Körper wurde von einer grünblauen Strahlungsflut überschüttet.
Zwei eigentümlich geformte Roboter, die weder auf die eindringenden Menschen reagierten, noch sich um die schußbereiten Waffen kümmerten, gingen einer vorprogrammierten Tätigkeit nach. Frische Atemluft zischte aus Deckendüsen. Eine Klimaanlage war ebenfalls eingeschaltet. Dennoch herrschte in der Kammer eine nahezu unerträgliche Hitze.
»Das … das ist …!«
Dr. Hasselet unterbrach sich. Seine Stimme hatte unartikuliert geklungen. Deighton starrte unbewegt und um seine Beherrschung kämpfend auf den Körper, dem die Roboter irgendwelche Injektionen verabreichten. Die strahlende Kugel kreiste unablässig.
Zwei Ärzte des Bohrteams kamen durch die Wandöffnung. Deighton erhob die Hand.
»Bitte nicht eingreifen, meine Herren. Wenn dieses Wesen in einem biophysikalischen Tiefschlaf gelegen hat, dann sollte man besser die Roboter gewähren lassen. Oder wissen Sie, wie man einen Neandertaler nach zweihunderttausendjähriger Konservierung wiedererwecken kann? Das ist doch ein Neandertaler, oder?«
»Reife Gattung. Endstufenentwicklung«, behauptete einer der Mediziner.
»Die Schädelform zeigt noch starke Knochenwülste über den Augen und eine fliehende Stirn, aber absolut affenähnlich ist er nicht mehr. Das Großhirn dürfte schon beachtlich entwickelt sein; allerdings nicht vergleichbar mit dem des Homo sapiens. Ich bin fassungslos.«
Die elektronischen Kameras surrten. Jede Einzelheit wurde gefilmt. Deighton wagte sich zwei Schritte näher. Die emsig hantierenden Roboter reagierten wiederum nicht auf den Eindringling.
»Die strahlende Kugel und die Roboter sind Eigen-Energieversorger«, kam eine Meldung über Sprechfunk durch. »Der große Reaktor in der Maschinenhalle läuft immer noch. Wir haben die Schaltstation gefunden. Soll er stillgelegt werden?«
»Wenn er uns dabei nicht um die Ohren fliegt, ja.«
»Wir werden es merken, Sir. Ende …!«
Deighton atmete heftig. Die Sichtscheibe seines Helms beschlug. Es dauerte einige Zeit, bis das Gebläse den Feuchtigkeitsbelag entfernt hatte.
Einer der Ärzte trat an Deightons Seite.
»Die Kugelstrahlung ist biophysikalischer Natur, Sir. Wenn die unbekannten Baumeister dieser Station von der Konservierung so viel verstanden haben, wie ich vermute, dürfte der Neandertaler bald aufwachen. Dann wird er die heiße, staubtrockene Luft einatmen müssen. Welche Möglichkeiten bestehen, ihn vor Verbrennungen der Atmungswege zu bewahren?«
Hasselet fand einen Weg. Es gab Bergungsroboter mit ausfahrbaren Energiefeldern, in denen Verletzte gegen die Außenwelt abgeschirmt und mit guter Luft versorgt werden konnten.
Eine dieser Maschinen kam wenig später vor der Konservierungskammer an. Die beiden Durchbruchsöffnungen mußten erweitert werden.
Das Sicherungskommando meldete zwei weitere Magmaeinbrüche. Im Südsektor der Höhlenwelt wichen die Abschirmeinheiten bereits zurück.
Als der Bergungsroboter endlich in den Raum glitt und mit summenden Antigrav-Gleitfeldern neben Deighton zum Stillstand kam, wurde eine Meldung durchgegeben, die Hasselets schlimmste Ahnungen bestätigte.
Im Westsektor erfolgte ein Wassereinbruch von solcher Stärke, daß er von den relativ schwachen Abwehrfeldern der Sicherheitsroboter nicht eingedämmt werden konnte.
»Feierabend, Sir«, erklärte der Chefingenieur mit erstaunlicher Gelassenheit. »Es muß zu einem tektonischen Aufriß in der Untersee-Bodenkruste gekommen sein. Unter Umständen sind auch die ehemaligen natürlichen Zugänge zu dem Labyrinth aufgebrochen. Das Wasser wird bald auf das glühende Magma treffen. Die Dampfentwicklung ist nicht berechenbar. Es ist aber sicher, daß dieses Höhlensystem sehr schnell einem
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