Silberband 058 - Die Gelben Eroberer
rissigen Astknorpeln hoch und erreichte mit einem Sprung einen Träger. Der Bogen schlug gegen das Metall, es gab einen leisen Ton wie von einer Glocke. Sandal hielt den Atem an und hielt sich wie eine Katze am Träger fest.
Niemand hatte etwas gehört.
Er winkte, und Tahonka-No folgte auf demselben Weg. Ruhig standen sie Sekunden später nebeneinander und sahen sich um, zehn Meter über dem Boden.
»Wir müssen das Dach des siebenten Hauses dort oben erreichen, von dort können wir über die Mauerkrone.«
»Ich bin ganz deiner Meinung«, sagte der Knöcherne. »Worauf warten wir noch?«
Sie kletterten im Gestänge neben den Häusern entlang, balancierten über schräge Taue und duckten sich unter den Fenstern. Die Bauten waren einem Doppelzweck unterworfen; hier wurde gewohnt und gearbeitet.
Sandal und Tahonka-No sahen viele Schwarminstallateure, die mit Konstruktionszeichnungen oder ähnlichen Arbeiten beschäftigt waren – die hier angewandte Technologie war so fremd, daß Sandal sich nichts darunter vorstellen konnte.
»Was tun sie?« flüsterte er, als sie hintereinander an einer Dachkante entlangwanderten. Sie hoben sich als schwarze Schemen gegen das diffuse Leuchten im Innern der Kuppel ab.
»Ich weiß es nicht!« gab der Knöcherne ratlos zurück.
Plötzlich machte Sandal eine Armbewegung und hielt Tahonka-No auf. Sie blieben dicht nebeneinander stehen, ihre Schatten verschmolzen.
»Ein Geräusch, das mir gar nicht gefällt!« Der Jäger griff nach dem Bogen. Alle seine Nerven und Muskeln waren gespannt, er glich einem sprungbereiten, witternden Raubtier. »Es klingt wie das Heulen kleiner Tiere.«
Sandal erinnerte sich an die Hunde oder an die jungen Wölfe, mit denen man auf Exota Alpha nach ausgebrochenen Gefangenen gesucht hatte. Er strengte sein Gehör an und unterschied eine Reihe von Geräuschen. Das Öffnen eines Tores oder einer Tür, einige Kommandos in schriller Sprache, dann das Tappen von vielen kleinen Füßen. Schließlich herrschte eine Weile lang Stille, die dann, ganz in der Nähe, durch ein heiseres Fauchen unterbrochen wurde.
»Du hast recht, wenn du glaubst, daß sie Suchtiere freigelassen haben«, meinte der Knöcherne leise. »Aber sie können nur auf dem Boden suchen – nicht klettern.«
Sandal nickte. »Hoffentlich.«
Sie gingen weiter. Über ein Dach, dann entlang eines leeren Verbindungsganges zwischen zwei Häuserkomplexen, dann wieder durch einen kleinen Park, der sich auf einer runden Platte befand, einige Meter hoch über dem Boden. Als sie an einem plätschernden Wasserbecken vorbeikamen, blieb Sandal stehen, schöpfte mit der Hand Wasser und begann zu trinken.
»Weiter – nicht aufhalten! Wir müssen noch durch die großen Gebäude dort drüben«, drängte der Freund.
»Ja, ja«, sagte Sandal mißmutig.
Sandal stolperte über etwas, das er nicht genau erkennen konnte.
»Vorsicht!« fauchte der Knöcherne. »Vorsicht!«
Dann hörten sie unter sich und hinter sich eine Art Summer, der schnarrend lange Töne ausstieß, die eine Sekunde dauerten, mit zwei Sekunden lang Pause dazwischen.
»Alarm!«
Gleichzeitig begannen eine Ebene tiefer die Tiere zu hecheln und zu heulen.
»Schnell weiter – geradeaus!« rief Tahonka und rannte los.
Sie liefen nacheinander einen schmalen geschwungenen Gang entlang, der sich über einer Brücke spannte. Unter ihnen waren die Kronen kleiner Bäume. Als die Brücke und ein Doppeltau, das die Konstruktion hielt, sich kreuzten, flankte der Knöcherne seitlich über das Geländer.
Sandal wollte ihm folgen, aber am anderen Ende des Ganges tauchte ein kleiner Purpurner auf, dessen Haut aus lauter knöchernen Platten zu bestehen schien. Sie wirkten wie Schindeln, dachte Sandal. Er bückte sich im Laufen, zog eines der Messer aus dem Warensilo und schleuderte es mit aller Kraft. Gleichzeitig warf er sich hin, der Bogen rutschte neben ihm auf den glatten Boden.
Krachend fuhr ein Schuß dicht über Sandals Kopf hinweg und schmolz eine breite Bahn in den Boden.
Als Sandal seine Vorwärtsrolle beendet hatte, sah er, wie der kleine Purpurne seitwärts gegen das Geländer kippte, zusammensackte und dann in den Verstrebungen hängenblieb. Sandal machte einen Satz, kippte den Leichnam nach unten und wartete nicht auf das Geräusch des Aufpralls. Er folgte Tahonka-No und rannte auf dem dicken Seil sehr sicher zehn Meter weit schräg nach oben, dann erst verlor er das Gleichgewicht.
Tahonka-No zog ihn wieder in die Senkrechte und
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