Silberband 058 - Die Gelben Eroberer
Gewächse berührte. Woher kam dieser Wind, da doch die Kuppel dichter als ein Zelt war?
Woher kam der Regen, der vor vier Tagen gefallen war? Woher die Blitze?
Sandal fand keine Erklärung. Er sprang.
21.
Sie gingen weiter – auf einem schmalen Weg mitten durch die Anlage, deren Blüten so betäubend rochen. Ihr nächstes Ziel auf dem Weg zur Königin aller Bauwerke war die Kreuzung der vier schwebenden Brücken, mitten im Park, umgeben von vier großen Ansammlungen von Hauswürfeln.
Zwanzig Minuten … Fünfhundert vorsichtige Schritte …
Viele Herzschläge lang wanderten sie dahin, sahen nach rechts und links, spähten nach verräterischen Bewegungen und nach Fallen. Sie erwarteten einen weiteren Alarm oder einen patrouillierenden Gleiter, der das Feuer auf sie eröffnen würde. Nichts geschah. Sie kamen jetzt auf eine der vier Brücken. Hier mußten sie nach rechts abbiegen. Außerdem konnten sie fünf oder sechs Meter tief springen – in diesem Fall würden sie weich in Büschen landen.
»Was ist das?« fragte Sandal leise und deutete nach rechts.
Sie befanden sich in der Mitte der Brücke. Rechts von ihnen ragte eine runde Säule sieben Meter hoch auf. Sie war ockergelb und leuchtete von innen. Auf dem runden Sockel stand etwas, das Sandal schon auf den ersten Blick fremd und dennoch vertraut vorkam – woher kannte er diese Fratze?
»Ich weiß … das ist der gelbe Götze … aber leicht verändert.«
Es war vermutlich so, daß sich dieser Götze veränderte, je nach dem Volksstamm, von dem er verehrt wurde. Y'Xanthymr hieß bei den Schwarminstallateuren anders als bei den Purpurnen; bei den hochgewachsenen Leuten mit dem langen weißen Schopf sah er wieder anders aus als bei den Leuten von Gedynker Crocq. Ja, so mußte es sein. Diese Form hier hatte Sandal noch nicht gesehen – sie besaß nur ein einzelnes Auge, das auf der Stirn saß, über der Nasenwurzel.
»Du sagst es. Willst du hier wurzeln und ihn anwimmern?« fragte der Knöcherne.
»Wohl kaum«, meinte Sandal.
Äußerst vorsichtig gingen sie weiter, auf die Kreuzung zu. Niemand bewegte sich mehr hier in der Umgebung, auch waren nur noch wenige Lichter eingeschaltet. Es war auch schon sehr spät; die Mitte der Dunkelperiode war längst überschritten. Auf leisen Sohlen erreichten sie die Kreuzung, bogen ab und liefen dann langsam auf das nächste Teilziel zu, auf den Park, der sie von der Rückwand des fraglichen Gebäudes trennte.
Die Brücke führte in einem leichten Bogen hinunter auf eine weiße Fläche aus Platten, von Büschen umstanden. Hier auf dem Bogen bewegten sich die Suchtiere, Hunde oder Wölfe. Das war die berechenbare Gefahr – unberechenbare mochten dazukommen. Sie blieben einige Sekunden auf der freien Fläche stehen, sicherten und wandten sich dann in die Richtung der dunklen Mauerfläche.
»Nicht zu schnell!« warnte Sandal.
Längst hatte er wieder einen seiner Pfeile auf der Bogensehne. Er schlich entlang einer Reihe von Büschen durch die Dunkelheit, fünf Meter hinter ihm ging Tahonka-No, in jeder Hand ein Messer. Der Knöcherne drehte unablässig den Kopf.
Bisher griff niemand an, nahm keines der Tiere ihre Witterung auf. Es war fast so gefährlich wie in einem unbekannten Dschungel, aber während es dort mit dem Angriff und der Abwehr getan war, würde hier ein Kampf andere Wächter heranlocken, und die Übermacht besiegte auch den besten Jäger.
Ereignislos vergingen die Minuten.
Sie gingen in einem weiten Bogen entlang der freien Fläche durch die Dunkelheit, und nur sehr selten raschelte das Laub unter ihren Schritten. Die Stiefel wurden naß vom Tau der Nacht – woher kam dieser Tau?
Sie werden nachts das Oberteil des Schirmes öffnen oder zumindest durchlässig machen, dachte Sandal, und er war einer physikalisch exakten Beurteilung gar nicht einmal so fern. Sie erreichten unangegriffen die Rückwand des Gebäudes, und hier mußten sie stehenbleiben. Es gab keine Öffnung.
Systematisch tastete Tahonka-No die gesamte Rückwand ab. Sandal stand daneben, eng an das kühle Mauerwerk gedrückt und mit halb gespanntem Bogen.
Als Tahonka wieder neben ihm stand, sagte er bedauernd: »Wir müssen es an einem anderen Gebäude versuchen oder aber im Durchgang zwischen zwei Bauten. Hier ist keine Öffnung.«
Sandal flüsterte: »Dafür kommen hier unsere Freunde. Acht Stück, wenn ich in der Dunkelheit richtig gezählt habe.«
Tahonka-No sah das Rudel der weißen Wolfsähnlichen und sagte:
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