Silberband 058 - Die Gelben Eroberer
inzwischen auch gedacht, nachdem ich mich daran erinnerte, daß diese Eigenschaft der Purpurnen schon einmal in einem Bericht erwähnt worden war.
Ich setzte das Mundstück an die Lippen und blies hinein. Meine Finger glitten über die Tonlöcher. Einige Minuten lang wurde die Geräuschkulisse des Schiffes durch böse Dissonanzen bereichert, doch dann hatte ich erfaßt, wie man auf der Okarina spielen mußte. Ich spielte das ›Lied der Kleinen Roten Sonne‹, ein beliebtes Lied der Freifahrer.
Gucky klatschte begeistert in die Hände.
»Was habe ich gesagt! Man braucht nur an der richtigen Stelle hineinzublasen und die richtigen Löcher zum richtigen Zeitpunkt zuzuhalten.«
»Du hast recht – wie immer«, versetzte ich ironisch. »Und nun wollen wir uns ein wenig umsehen. Ich bin nicht hierhergekommen, um nur auf der Okarina zu spielen.«
»Halt sie fest«, flüsterte der Ilt und ergriff meine freie Hand. Wir entmaterialisierten und fanden uns in einem anderen Teil des Wabenschiffes wieder.
Etwa anderthalb Meter große Wesen mit purpurfarbener Haut hasteten an uns vorüber. Plötzlich schienen sie zu spüren, daß Fremde aufgetaucht waren. Ruckartig blieben sie stehen. Große Augen waren auf uns gerichtet.
»Spielen!« flüsterte Gucky.
Ich setzte die Okarina an und spielte das ›Lied vom Knaben, der vom Flug zwischen den Sternen träumt‹. Die kleinen Purpurnen bewegten sich unruhig. Sie waren spärlich bekleidet, daß wir deutlich ihre Haut sehen konnten, die eigentlich keine Haut im normalen Sinne war, sondern eine Fläche aus zahllosen sich berührenden roten Hornplatten. Wenn sich die Wesen bewegten, zeichnete sich unter den Hornplatten das Spiel kräftiger Muskelbündel ab. Auf den runden, glänzenden Schädeln wuchsen lange Haarschöpfe von unterschiedlicher Färbung. Jede Hand hatte sieben Finger mit langen starken Nägeln, die wie kleine scharfe Dolche wirkten.
Langsam kamen die Purpurnen auf uns zu. Sie waren offenbar vom Okarina-Spiel fasziniert. Mir dagegen war gar nicht wohl in meiner Haut. Diese Sklaven eines unbekannten Herrscher- und Eroberervolkes hatten eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen, wie aus ihren früheren schnellen Bewegungen zu schließen gewesen war. Wenn sie ihre Pflicht für längere Zeit vernachlässigten, mußte das Verdacht erregen.
Plötzlich zuckten die kleinen purpurnen Stummen zusammen, blieben stehen und murmelten etwas, das wie ›Y'Xanthimona‹ klang. Dann drehten sie sich um und liefen eilig davon.
»Spiel leiser!« flüsterte Gucky. Er zupfte an meinem Arm und ging den Purpurnen nach.
Wir kamen zu einer Halle, in der achtzehn Transportbänder einliefen. Sie beförderten silbrig glänzende Behälter, die von den Purpurnen aufgenommen und fortgetragen wurden. Andere Purpurne kehrten ständig mit offenbar leeren Behältern zurück und stellten sie auf den weglaufenden Transportbändern ab. Die Purpurnen blickten immer wieder zu uns, aber sie blieben nicht mehr stehen, um sich die Musik anzuhören.
Der Mausbiber zog mich weiter. Nach kurzer Zeit standen wir vor einer senkrechten quadratischen Stahlwand, die sich aus zahlreichen Sechskantröhren zusammensetzte. Die Purpurnen hasteten über Sprossen und Stege hinauf und hinab. Ich sah, daß sie vor jeweils einer Rohrmündung anhielten und den Inhalt ihrer Behälter mit Hilfe trichterförmiger Schläuche in die Öffnung sprühten. Es handelte sich um eine weißliche Emulsion.
»Waben!« flüsterte Gucky erregt. »Diese Sechskantröhren sind nichts anderes als große Waben.«
Ich hörte kaum hin, denn mich faszinierte das, was sich in den unteren Waben bewegte, die ich einsehen konnte. Ich kniff die Augen zusammen, denn die Wabenbewohner – falls es sich überhaupt um Lebewesen handelte – strahlten ein helles ockergelbes Leuchten aus, das mich blendete.
Als der Ilt seinen Druckhelm nach vorn klappte, folgte ich seinem Beispiel. Die Filterautomatik des Helms blendete die schlimmste Helligkeit aus. Dennoch erkannte ich in den Waben nicht mehr als ein konturloses, ockergelbes Wabern und Wallen. Es verstärkte sich jedesmal, wenn ein Purpurner die weißliche Emulsion durch die Öffnung sprühte.
»In den Behältern ist offenbar eine Nähremulsion«, flüsterte ich. »Kannst du erkennen, wie die Lebewesen aussehen, die man damit versorgt, Gucky?«
Der Mausbiber seufzte.
»Leider nicht. Ob ich einmal versuche, den Inhalt einer Wabe telekinetisch ans Licht zu ziehen?«
»Das läßt du lieber bleiben«,
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