Silberband 059 - Herrscher des Schwarms
Oder, genauer, Oronk Ayai.
Oronk Ayai – ein zum Skelett abgemagerter, großer Mann mit wirrem blondem Haar, blondem Vollbart, halberloschenen Augen und verschmutzter Kleidung.
Der Mann stieß gegen ein Hindernis. Er wollte es umgehen, aber da verließen ihn die Kräfte. Seine Stirn prallte dumpf gegen den Boden. Nach einiger Zeit, Oronk hätte niemals sagen können, wieviel Zeit verstrichen war, ertönte ein scharfes Klicken hinter der linken Schläfe, gleich darauf hinter der rechten.
Etwas in Oronks Gehirn regte sich, etwas, das vor langer Zeit erloschen war, etwas, das Oronk nicht erklären konnte. Doch mochte sein Geist sich auch niemals mehr im vollen Lichte baden können, eine winzige Kerzenflamme genügte, um die Pfade träger Gedanken einigermaßen zu erhellen.
Oronk Ayai stemmte sich mit den Händen in kniende Haltung. Sein Kopf pendelte dabei kraftlos hin und her, während die Hände gleich halbbetäubten großen Spinnentieren eine senkrechte Wand hinaufkrochen.
Als die Hände eine ebene Platte ertasteten, zog Oronk sich daran entlang. Seine Knie scharrten über den Boden, die Augen schielten aus dem pendelnden Kopf nach oben, bis sie entdeckten, wonach sie gesucht hatten.
Eine Automatkonserve!
Für Oronk Ayai war es nur ein Ding, aus dem schmackhafte Nahrung kam, wenn man den Finger in eine Vertiefung preßte. Er schloß die Augen, während sein Zeigefinger suchte und endlich die Vertiefung mit dem Knopf fand.
Ein schwaches Summen ertönte, dann erwärmte sich die Konservendose, der Deckel sprang auf. Oronk griff nach dem Löffel an der Innenseite des Deckels und aß mit einer Art sorgfältiger Hast. Das, was am Boden und der Innenwand hing, holte Oronk mit den Fingern aus der Dose.
Danach wälzte er sich auf den Rücken, streckte sich aus – und war wenige Sekunden später eingeschlafen …
Als er erwachte, fühlte er sich schon erheblich besser. Seine Augen sahen die Umwelt klarer als zuvor, und er vermochte einzelne Gegenstände aus der Ganzheit herauszulösen und ihnen Namen oder Begriffe zuzuordnen.
Beispielsweise den Namen Bildschirm für eine Galerie von Trivideokuben, in denen dreidimensional und farbig eine wüstenartige vegetationslose Landschaft abgebildet wurde.
Die Bergwüste von Pelukatan, Planet Heytschapan, Eppyla-Pharo-System, Entfernung zur Erde 12.103 Lichtjahre, zum ›Kopf‹ des unheilbringenden Schwarms 7.009 Lichtjahre.
Doch diese Daten hätten Oronk Ayai nichts oder nicht viel gesagt, wenn jemand sie ihm genannt hätte. Aber es gab niemanden, der sie ihm hätte nennen können!
Oronk schaute auf die gelblichbraunen Staubschleier, die einen scheinbar schwerelosen Tanz über dem Sand, den schroffen Felsen und Geröllhalden aufführten. Die Sonne äugte matt und blaß durch eine gelb, rosa und grau gefärbte Staubglocke, die in der Hochatmosphäre schwebte. Für kurze Zeit tauchte auf dem Kamm einer Düne eine Kette von Lebewesen auf, die sich in seltsam schwankendem Gang vorwärts bewegten. Es waren Guels, die auf ihren anspruchslosen Tschapans durch die Wüste ritten, um nach jenen glasartigen Kristallen zu suchen, nach denen jemand – Oronk wußte nicht mehr, wer – verrückt gewesen war. Kurz darauf verschwand die Kolonne der Reiter in einer Senke, und Oronks Interesse erlosch.
Er stand vollends auf, atmete einige Male tief durch und ging danach zielstrebig in einen gekachelten Raum. Vor langer Zeit hatte er sich gemerkt, welchen Schaltknopf er drücken mußte, um die Wohltat dieses Ortes auszulösen.
Die Automatik entkleidete ihn, wusch und duschte ihn gründlich, stutzte Haar und Bart, verabfolgte Pediküre und Maniküre, pflegte Zähne und Zahnfleisch. Ihre Sensoren ermittelten außerdem, daß die Person, die ihre Dienstleistung beanspruchte, physisch indisponiert war. Sie rief einen Medoroboter herbei, der Oronk Ayai untersuchte und im vollautomatischen Recreation Center ablieferte.
Etwa achtundvierzig Stunden später wurde Oronk aus dem Erholungszentrum entlassen. Seine physische Verfassung war gut; er hatte sich schnell erholt und wieder Fleisch angesetzt. Als er sich für kurze Zeit im Feldspiegel betrachtete, sah er einen hochgewachsenen, etwas mageren Adonis mit kurzgeschnittenem blondem Haar, blondem Vollbart und blauen Augen.
Ayai streckte seinem Spiegelbild die Zunge heraus, kratzte sich unter den Achseln und schlenderte, fröhlich pfeifend, in den Küchensektor. Er stieß einen Jubelruf aus, als er seinen liebsten Freund, den Küchenroboter,
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