Silberband 062 - Götzendämmerung
im Vakuum wieder voll handlungsfähig.
»Ü'Krantomür ist ein Dezentralisierer«, berichtete er uns über Telekom. »Bevor er die Bombe zündete, konnte ich auf einem Monitorschirm der Steuerkanzel sehen, wie er sich anscheinend aus dem Nichts zusammenfügte. Meine Planhirnauswertung ergab, daß der Götze die psionische Fähigkeit besitzt, seinen Körper in Einzelmoleküle aufzulösen, von denen jedes parapsychisch aufgeladen und daher für sich allein handlungsfähig ist. Am Zielort fügen sich die Moleküle dann unheimlich schnell wieder zum ursprünglichen Körper zusammen und schlagen zu.«
Ich merkte, wie mich ein Gefühl eisiger Kälte beschlich. Wenn es stimmte, daß Ü'Krantomür ein Dezentralisierer war, dann konnte er praktisch an jedem Ort Merkurs wieder auftauchen, ohne daß ihn jemand daran zu hindern vermochte.
Er konnte auch in der KONG-KONG erscheinen, in der Caruh a Vacat Dienst tat …! Ich mußte unbedingt etwas unternehmen!
Ein schwaches Wimmern lenkte meine Aufmerksamkeit auf Yorgho. Der Begleiter des Götzen hatte sich in eine Ecke des Verhandlungsraumes verkrochen und schien sich zu fürchten. Ich erinnerte mich an meinen Würfelzucker.
Zögernd ging ich auf das Tier zu, während ich überlegte, daß man Yorgho nicht für das verantwortlich machen konnte, was sein Herr tat. Schließlich waren auch bei uns Menschen die Haustiere von Verbrechern unschuldig an dem, was ihre Herren verbrochen hatten.
Yorgho tat mir leid. Allein gelassen von seinem Herrn, in einer völlig fremdartigen Umgebung, mußte er sein Leben lang an dem daraus resultierenden Trauma leiden, wenn ihm niemand half.
Ich kauerte mich neben das schneckenähnliche Wesen, packte den Würfelzucker aus und redete beruhigend auf das Tier ein. Dabei sah ich, daß der ehemals steinharte Buckelauswuchs weich geworden war und schwach pulsierte. Wahrscheinlich war es eine Folgeerscheinung des Schocks, den Yorgho erlitten hatte.
Als ich das erste Stück Zucker vor Yorgho auf den Boden legte, zuckte das Tier ängstlich zurück. Seine Fühler stülpten sich nach innen, und die Augenpunkte bebten.
Aber nach einer Weile krochen die Fühler wieder heraus, tasteten nach dem Zucker und vibrierten erregt. Das Tier streckte sich, stülpte einen schleimigen Beutel aus seiner Vorderseite und nahm damit den Würfelzucker auf. Beim zweiten Stück Zucker zögerte Yorgho nicht mehr. Danach legte ich gleich eine Handvoll vor ihn hin. Er verschlang sie gierig.
Ich fühlte mich erleichtert. Es hatte mich sehr belastet, daß ich das arme Tier getreten hatte; um so mehr freute ich mich darüber, daß ich es wiedergutmachen konnte. Sicher bewahrte ich durch mein Verhalten Yorgho vor einem bleibenden seelischen Schaden.
Wenn ich nur wüßte, was aus Dalaimoc Rorvic geworden war! Ärgerlich über mich selbst schüttete ich Yorgho den restlichen Zucker hin und erhob mich.
Wie kam mein Unterbewußtsein dazu, eine Parallele zwischen dem Albino und Yorgho zu ziehen? Yorgho war nur ein armes, unschuldiges Tier, Rorvic dagegen war ein Scheusal, das durchaus fähig war, sich selbst zu beurteilen.
Als ich mich umwandte, sah ich, daß außer mir nur noch Orana Sestore im Verhandlungsraum war. Auf meinen fragenden Blick sagte sie: »Sie sind alle auf der Suche nach Ü'Krantomür, Captain a Hainu.« Ihre Miene wirkte besorgt. »Hoffentlich stellen sie den Götzen bald. Die Lage ist verzweifelt.«
»Wir Menschen haben noch jede Lage gemeistert, Madam«, meinte ich. »Wir werden auch mit einem halbverrückten Dezentralisierer fertig werden. Glücklicherweise kann Ü'Krantomür den Merkur nicht verlassen.«
»Das ist es ja eben«, flüsterte Orana. »Er kann den Merkur nicht verlassen, aber auch keiner von uns kann den Merkur verlassen. Das Risiko, dabei unbemerkt die Moleküle des Götzen mitzuschleppen, ist zu groß.«
Sie holte tief Luft. Als ich merkte, daß mein Blick sich auf Oranas Brust konzentrierte, sah ich schnell weg.
»Unterdessen richtet der Götze überall Schaden an und bringt Menschen um. Dennoch weigert sich Rhodan, den Merkur zu verlassen.«
»Das ist doch nur logisch«, wandte ich erstaunt ein. »Sie haben selbst gesagt, daß niemand den Merkur verlassen darf, weil die Gefahr besteht, daß er den Götzen mitnimmt.«
»Aber Perry Rhodans Leben ist bedroht, Captain, verstehen Sie das nicht?«
Das verstand ich schon. Aber Rhodans Leben war kaum stärker bedroht als das eines jeden von uns. Ich sagte es ihr, aber es beruhigte sie nicht.
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