Silberband 064 - Die Stimmen der Qual
entgegen, die mit Schußwaffen ausgestattet waren.
»Nicht schießen!« warnte Samare. »Er tut euch nichts.«
Die Männer antworteten ihm wirr und unverständlich. Sie waren nicht mehr Herr über sich selbst.
Verzweifelt suchte Samare nach einem Weg, den Kampf zu verhindern. Zugleich spürte er, wie die Stimmen der Qual auch in ihm lauter wurden. Die Ruhepause war vorüber – und damit sanken die Chancen für eine Verständigung.
»Komm zurück!« rief Samare dem Roboter zu. »Komm zu mir, Maschinendiener! Ich helfe dir, deine Freunde zu finden.«
Der Priester der Vorstufe wußte im Augenblick nicht, wo die Fremden waren, aber er hoffte, die Aufmerksamkeit des Metallenen auf diese Weise auf sich lenken zu können. Tatsächlich drehte der Roboter sich langsam um, ohne auf die Asporcos zu achten, die auf ihn zustürmten und dabei wilde Schreie ausstießen. Erst als sie ihn fast erreicht hatten, fuhr er erneut herum.
Samare war stehengeblieben. Er glaubte immer noch an eine vernünftige Lösung. Die Priester begannen mit ihren Handfeuerwaffen auf den Sendboten zu feuern. Wirkungslos prallten die Kugeln von seiner Panzerung ab. Obwohl dadurch offensichtlich keine wirklich bedrohliche Gefahr entstand, zog er sich langsam zurück – und näherte sich Samare. Dieser hob die Arme, um ihm klar anzuzeigen, daß er nicht in den Kampf eingreifen wollte. Dabei merkte der Priester, wie die Stimmen der Qual in ihm lauter wurden. Mit ganzer Konzentration kämpfte er gegen sie und die in ihm aufsteigende Panik an. Er hörte die Kugeln an seinem Kopf vorbeizischen, drehte sich um und floh.
Als er eine Zwischentür erreichte und sie öffnete, blieb der Roboter stehen. Samare blickte über die Schulter zurück. Genau in diesem Augenblick explodierte die Maschine. Der Priester hörte den Knall, wurde von der Druckwelle mitgerissen und gab zugleich den Widerstand gegen die Stimmen der Qual auf. Er stürzte ins Chaos.
Erst als kühle, frische Luft über seine Augen strich, kam er wieder zu sich. Noch immer quälten ihn die Stimmen, aber sie hatten keine so große Macht über ihn wie zuvor.
Alombo Troyd-Samare fiel mit eng an den Körper gelegten Armen an den Felswänden des Heiligtums hinab. Er wußte nicht, wie tief er schon gestürzt war. Er sah nur den schroffen Boden auf sich zukommen. Ihm blieb keine Zeit für Überlegungen. Mit aller Kraft breitete er die Arme auseinander, doch so konnte er sich nicht mehr abfangen. Seine Geschwindigkeit war schon viel zu groß geworden.
Unwillkürlich begann er zu schreien. Das Ende war unvermeidlich.
Samare wunderte sich, daß er unmittelbar vor seinem Tod so klar und nüchtern denken konnte. Die Stimmen der Qual waren noch da, aber sie hatten sich weit zurückgezogen. Sie erreichten ihn nicht mehr. So konnte er sich auf die Felsspitzen unter ihm konzentrieren. Als ob es ihn gar nichts anginge, überlegte er sich, ob man ihn je finden würde, und er bedauerte, daß sein Kopf nicht in der Halle der Unendlichkeit ruhen würde.
Noch einmal versuchte er, sich mit Hilfe seiner Flughäute zu retten. Umsonst. Er legte die Hände über seine Augen, als plötzlich etwas Seltsames geschah. Er fühlte eine unwirkliche Kraft, die nach ihm griff.
Er nahm die Hände zur Seite und starrte auf die Felsen, denen er jetzt nicht mehr näher kam.
Unwillkürlich breitete er die Arme aus. Er bemerkte keinen Widerstand.
Ich schwebe, stellte er nüchtern fest. Ich schwebe. Dabei gibt es nichts, was mich tragen könnte.
Das unsichtbare Energiefeld, das ihn gerettet hatte, verschwand von einer Sekunde zur anderen. Plötzlich aufkommende Steigwinde rissen ihn an der Felswand empor.
Samare atmete tief durch. Er fühlte sich, als ob er gerade erst das Licht der Welt erblickt hätte. Ein für menschliche Ohren unhörbarer Schrei kam aus seinem Mund. Alle Asporcos sollten wissen, was geschehen war.
Voller Lebensfreude beobachtete er seinen eigenen Schatten, der über die Felswand eilte. Und dabei fiel ihm auf, daß sein Schatten nicht allein war. Neben ihm tanzte noch ein zweiter!
Samare blickte erschreckt um sich.
Dicht hinter ihm schwebte ein seltsames Wesen mit ausgebreiteten Armen und Beinen. Der Asporco begriff nicht, weshalb der andere überhaupt fliegen konnte, denn er hatte keine Flügel und auch keine Flughäute. Seine kurzen Arme und Beine fanden überhaupt keinen wirksamen Luftwiderstand – und der lang ausgestreckte Schwanz schon gar nicht. Außerdem steckte der Fremde in einem Raumanzug,
Weitere Kostenlose Bücher