Silberband 069 - Die Hyperseuche
Felsen hinter sich spürte.
»Ich sehe dich nicht, aber ich weiß, daß du da bist«, flüsterte die Stimme in seinem Funkgerät. Nicht einmal seinen Fluganzug hatte Kol eingeschaltet.
»Ich bin hier«, erwiderte Kol.
Die merkwürdige Unterhaltung, die sie mit weiteren zwanzig oder mehr Sätzen führten, diente von beiden Seiten dazu, den Gegner zu verunsichern. Trotzdem durchzuckte ein einziges Mal, auf einen winzigen Hinweis hin, Kol Mimo der Funke einer wichtigen Einsicht. Er grinste: Nunmehr war es sicher, daß er sich auf dem richtigen Weg befand. Zwischen dem Ziel und ihm stand, abgesehen von einer Reihe technischer, leicht lösbarer Probleme, nur noch Homunkulus.
Der Hinweis ist der entscheidende, letzte Punkt. Ich bin der Träger eines Geheimnisses, dachte Kol. Ich darf also nicht sterben, sonst stirbt der letzte Hoffnungsfunke mit mir!
Er entsicherte die Waffe, schaltete die volle Energieleistung ein und setzte das Zusatzmagazin ein.
»Du wartest auf mich, nicht wahr?« flüsterte Homunkulus.
»Nicht mehr. Ich bin hinter dir und ziele bereits auf dich«, sagte Kol in lakonischer Ruhe. Er spähte angestrengt nach vorn. Der Gegner befand sich nicht in der Luft, aber er handelte im Reflex.
Er bewegte sich sehr schnell, korrigierte seine Bewegung sofort, als er merkte, daß er einem Bluff zum Opfer gefallen war. Aber zwei kleine Staubwölkchen weit vor ihm und eine verwischte Bewegung hatten Kol Mimo schon ausgereicht, um ihm zu zeigen, wo sich der Gegner befand. Er rannte schnell hinüber in die Deckung eines anderen Felsblocks. Er wollte an der Seite oder tatsächlich im Rücken des fremden Mörders herauskommen.
»Ich sehe, du bist nervös geworden«, sagte Kol Mimo.
»Nicht nervös genug, um dich nicht im entscheidenden Moment zu treffen. Übrigens hast du keinen Körperschutzschirm mehr. Das wird dich umbringen, mein Freund!«
»Ich würde an deiner Stelle nicht mit diesem Umstand rechnen, mein Freund«, meinte Kol Mimo.
Er hastete weiter, aber auch Homunkulus bewegte sich in Zickzacklinien durch das Labyrinth aus Schatten und Felsen. Sie sahen einander nicht, aber aus dem Klang beider Stimmen erfuhr der andere, daß sein Gegner sich schnell und eilig vorwärts bewegte. Nur die Richtung wußten sie nicht. Noch nicht.
»Ich werde diese Hochebene nur als Sieger verlassen«, sagte Kol Mimo. Er fieberte darauf, den Kampf zu beenden.
»Damit rechne ich«, sagte Homunkulus. Kol Mimo blieb stehen. Er blickte jetzt nach Norden. Dort vermutete er den Fremden. »Damit, daß ich hier der Sieger bleibe. Ich habe den Auftrag, dich zu töten.«
Kol sagte nichts. Er hielt die Waffe entsichert. Er war bereit, in Sekundenschnelle einen Schutzschirm irgendwo vor sich aufzubauen. Wo war Homunkulus?
Er starrte zwischen den Blöcken hindurch, versuchte, einen wandernden Schatten zu erkennen, und er wagte nicht, seinen Fluganzug einzusetzen und so aus größerer Höhe zu versuchen, seinen Gegner zu erkennen. Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Vielleicht rechnete Homunkulus damit, vielleicht würde er den Energieeinsatz anmessen. Nichts rührte sich.
Kol Mimo duckte sich, schaltete das Aggregat auf volle Kraft und raste senkrecht dreißig oder fünfzig Meter in die Höhe, drehte sich langsam um sich und sah Homunkulus. Nicht ihn selbst, sondern den Schatten. Der Abstand betrug hundert Meter, Homunkulus befand sich inzwischen tatsächlich östlich von Kols jetzigem Standort.
Ebenso schnell, wie er in die Höhe gerast war, sank Kol wieder hinunter. Dann warf er sich herum und rannte geradeaus, in das Licht der Sonne hinein. Nach etwa hundertsiebzig Metern hielt er an und wich rechtwinklig von seinem Kurs ab. Er erreichte die Stelle, die Homunkulus in wenigen Minuten auch erreichen mußte.
»Du weichst mir aus, Freund!« warnte Kol.
Nach einer kurzen Pause erwiderte der Gegner: »Nein! Ich suche dich!«
Kol Mimo errichtete einen Schirm zwischen zwei Felsen und trat aus dem Schatten hervor. Er blieb so stehen, daß er mit jeweils zwei Sprüngen wieder die volle Deckung hinter den Steinen erreichen konnte, ohne den Schutzbereich des durchsichtigen Energiegebildes zu verlassen. »Ich bin hier und warte!« sagte er.
Dann öffnete er die Schutztasche der antiken Waffe. Ihr weißer Elfenbeingriff mit beiden Schalen leuchtete kurz auf.
Homunkulus sprang plötzlich hinter einem Felsen hervor. Er befand sich etwa fünfundsiebzig Meter von Kol entfernt. Das lebende Gerippe feuerte augenblicklich und nahm den
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