Silberband 075 - Die Laren
hier sind Tastir und Testur, meine Freunde«, rief er aus. »Sie sind gekommen, um dieses Raumschiff sicher durch die Fährnisse der Dunkelwolke zu lotsen. Ist es nicht so, meine Freunde?«
Die beiden Hageren schienen überhaupt nicht auf ihn zu achten. Sie musterten die Männer im Kommandostand, und durch den Schatten, den ihre vorgewölbten Stirnen warfen, ließ sich nicht erkennen, ob sie es mit freundlichen oder unfreundlichen Blicken taten. Der mit den wulstigen Lippen und der stark ausgebildeten Nase öffnete schließlich den Mund und antwortete mit unerwartet tiefer Stimme: »Das kommt ganz darauf an!«
Er sprach Interkosmo. Er sprach es mit einem Akzent, der verriet, daß seine Muttersprache eine andere war. Inzwischen hatte Perry Rhodans Verstand auf Hochtouren gearbeitet. Er kombinierte die Notwendigkeit, Icho Tolot vorerst abseits zu halten, mit der Menschenähnlichkeit der Fremden, und das Resultat war ein überaus verblüffendes. Er beschloß, sofort die Probe aufs Exempel zu machen. Er beherrschte die Sprache der Lemurer, der Vorväter der Menschheit und anderer galaktischer Völker. Er bedachte die beiden Hageren mit einem freundlichen Blick, breitete wie zum Segen beide Arme aus und sprach mit erhobener Stimme den feierlichen Gruß der Lemurer: »Halaton kher lemuu onsa! – Gesegnet sei das Land der Väter!«
Es zuckte wie ein Schatten über die Gesichter der beiden Hageren. Eine Zeitlang war ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf Rhodan konzentriert. Dann sagte wiederum der mit den vollen Lippen und der großen Nase: »Damit machen Sie sich womöglich noch verdächtiger!«
Die Atmosphäre der Spannung über den unmittelbar bevorstehenden Einflug der MARCO POLO in die Dunkelwolke durchdrang das ganze Raumschiff. Niemand, so hätte man meinen sollen, blieb von ihr verschont. Und doch gab es einen Mann, der ganz andere Sorgen hatte.
Kell Peppoing war, je länger er über Ling Temvaughns merkwürdiges Verhalten nachgedacht hatte, um so verwirrter geworden. Temvaughn hatte sich verhalten wie ein Mann, der bei seinen Missetaten unbedingt ertappt werden wollte. Er hatte nichts getan, um seine Tätigkeit zu verheimlichen, im Gegenteil, er hatte seinen Verrat zu einer Zeit zu begehen versucht, zu der mit Sicherheit einer in der Nähe sein würde, um ihn zu beobachten.
Ling Temvaughns Antworten waren konfus gewesen. Sein Auftraggeber, hatte er gesagt, übte Druck auf ihn aus. Aber er wußte angeblich nicht, welcher Art dieser Druck war. Und um weiteren Fragen zu entgehen, hatte er einfach das Bewußtsein aufgegeben. Temvaughns ziellose und sinnlose Handlungsweise war vielleicht zu verstehen, wenn man bereit war zu glauben, daß er nicht unter der Kontrolle des eigenen Bewußtseins, sondern im Banne eines hypnotischen Blocks gehandelt habe. Aber selbst auf diese Weise ließ sich keine befriedigende Erklärung finden.
Kell Peppoing beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen. Während das ganze Flaggschiff vor Spannung fieberte, wann nun endlich der Einflug in die berüchtigte Dunkelwolke vonstatten gehen werde, machte er dem Bordlazarett einen Besuch. Einer der jungen Ärzte fragte nach seinem Anliegen.
»Hier ist vor zwei oder drei Stunden ein Mann namens Ling Temvaughn eingeliefert worden. Bewußtlos, Verdacht auf hypnotische Beeinflussung und so weiter. Wo kann ich etwas über sein Befinden erfahren?«
»Bei mir«, antwortete der Arzt. Er war ein hochgewachsener, breitschultriger Mensch mit offenem Gesicht und kurzgeschorenen blonden Haaren. »Es trifft sich zufällig, daß ich derjenige bin, der sich um den Mann gekümmert hat.«
»Oh«, machte Peppoing, der eigentlich nicht so recht wußte, wie er mit dem Fragen anfangen sollte. »Hat er … ist Ihnen … Ich meine, geht es ihm gut?«
»Nein, das meinen Sie nicht«, antwortete der Arzt grinsend.
Peppoing überlegte, wie er auf diese Unterstellung reagieren sollte. Aber der Arzt kam ihm zuvor.
»Der Fall erscheint Ihnen merkwürdig, nicht wahr?« erkundigte er sich.
Kell Peppoing schluckte. »Ja«, gab er zu.
»Mir auch. Haben Sie Zeit, in mein Büro zu kommen?«
»Ich bin frei«, versicherte Peppoing, »wenigstens für die nächsten drei Stunden.«
Eine Minute später saß er dem jungen Mediziner an dessen Arbeitstisch gegenüber. »Sie sagten, Temvaughn sei auch Ihnen merkwürdig vorgekommen«, erinnerte er ihn.
»Temvaughn ist mittlerweile wieder bei Bewußtsein«, antwortete der Arzt. »Aber je mehr er sich zu erinnern versucht,
Weitere Kostenlose Bücher