Silberband 076 - Raumschiff Erde
mir durch den Kopf. Ich war im Augenblick ohne wahre Funktion. Sobald der Startbefehl für die Erde gegeben war, würde es meine Aufgabe sein, darauf zu achten, daß der Transportvorgang planmäßig und ohne Zwischenfälle verlief. Im Augenblick jedoch war ich noch Herr meiner Zeit. Ich wählte den Rufkode der SISTINA. Efrem Marabors zerfurchtes Gesicht erschien.
»Ich hatte erwartet, von Ihnen zu hören, Sir«, bemerkte er trocken, bevor ich noch dazu kam, ein Wort zu sagen.
»Sind Sie startbereit?« wollte ich wissen.
»Wie immer, Sir.«
»Lassen Sie anfahren!« befahl ich. »Ich bin in ein paar Sekunden an Bord.«
Ich verließ den Kommandoraum und gelangte in eine kleine Transmitterstation. Der Transportvorgang beförderte mich ohne meßbaren Zeitverlust mehr als sechzig Kilometer weit – aus den unterirdischen Anlagen von Imperium-Alpha bis zu jenem Sektor des Raumhafens Terrania City, der dem militärischen Raumverkehr vorbehalten war.
Die SISTINA war mein eigenes Fahrzeug, nach meinen Plänen entworfen, gebaut und ausgestattet und bis zu einem Bruchteil von knapp acht Prozent, der aus dem Sonderfonds des Großadministrators beigesteuert worden war, auch von mir finanziert. Das einzige, was die SISTINA mit serienmäßig erstellten Schiffen der Solaren Flotte gemeinsam hatte, war die einhundert Meter durchmessende Kugelzelle eines Leichten Kreuzers. Alles andere – Triebwerkssystem, Bewaffnung, Anordnung der Decks, räumliche Aufteilung – waren Sonderanfertigungen. Die SISTINA war ohne Zweifel das schnellste Raumschiff, das jemals von Menschen gebaut worden war. Mit einem Triebwerkssystem, das einem Schlachtschiff Ehre gemacht hätte, erreichte sie Beschleunigungen von knapp unter 90.000 Gravos.
Die Bewaffnung bestand aus einer Transformkanone und mehreren Desintegratorgeschützen. Außerdem gab es seit kurzem einen der neuen KPL-Projektoren, die im Kampf gegen die strukturvariablen Energieraumer der Laren eingesetzt wurden, um dem Gegner die Energie abzusaugen, aus der sein Fahrzeug bestand. Die SISTINA besaß eine Anlage zur Erstellung eines invertierten Paratron-Schirmpaars – einer Feldschirmhülle also, die aus zwei konzentrischen Paratron-Feldern bestand. Die beiden Felder waren einander entgegengesetzt gepolt, wodurch eine nahezu undurchdringliche Schutzwirkung erzeugt wurde.
Man sieht, worauf ich beim Entwurf der SISTINA Wert legte: Ihre Bewaffnung war, was die Offensivwaffen anging, alles andere als überwältigend. Dafür konnte ich jedoch rasch davonlaufen oder, wenn es dazu keine Gelegenheit mehr gab, mich in ein Feldschirmpaar hüllen, das keine der bekannten Waffen der Galaxis zu durchdringen vermochte. Einen weiteren Nachteil hatte die SISTINA mit anderen schnellen Fahrzeugen gemein: Sie war nicht auf Reichweite ausgelegt und hatte einen Aktionsradius von nicht mehr als 31.000 Lichtjahren. Für meine Zwecke allerdings reichte das aus. Die Ereignisse der jüngsten Zeit spielten sich ohnehin in unmittelbarer Nähe der Erde ab.
Die SISTINA war bis zum höchstmöglichen Grade automatisiert. Der Autopilot, gekoppelt mit dem Bordrechner, war der eigentliche Herr des Schiffes – wenn auch die Möglichkeit bestand, die zentrale Positronik zu neutralisieren und die Schiffsfunktionen in semiautomatische oder gar manuelle Steuerung zu übernehmen. Dem hohen Grad der Automation entsprach eine geringe Besatzungsstärke von nicht mehr als fünfzehn Mann. Die Mitglieder der Besatzung hatte ich mir selbst ausgesucht. Sie standen unter dem Befehl eines Mannes, der sich im Dienst der Solaren Flotte mehrmals bewährt und ausgezeichnet hatte: des Oberstleutnants Efrem Marabor, eines Veteranen von 89 Jahren, von denen er einundsechzig Mitglied der Flotte gewesen war.
Er war ein langer, hagerer Mensch mit einem verwitterten Gesicht, das ihm den Anschein eines Mannes verlieh, der sein ganzes Leben im Freien verbracht hatte. Auf den ersten Blick wirkte er mürrisch. Lediglich die hellen wasserblauen Augen funkelten stets in einem hellwachen, interessierten Glanz. Marabors Ohren waren, was Größe und Anstellwinkel anbetraf, eine Sehenswürdigkeit. Unter der Mannschaft hielt sich das bösartige Gerücht, Efrem Marabor sei bei nicht allzu turbulenten atmosphärischen Verhältnissen gleitflugfähig.
Trotz seines mürrischen Aussehens war Marabor in Wirklichkeit ein Mann mit einer gesunden Portion trockenen Humors. Mit seiner Mannschaft, die ohne Ausnahme aus Offizieren bestand, kam er
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