Silberband 080 - Menschheit am Scheideweg
Evargher.
»Jawohl«, behauptete Kenson und blickte dabei Laptir an.
Laptir sprang auf. »Was soll das?«, rief er wütend. »Willst du vielleicht behaupten, dass ich derjenige bin?«
»Ich habe keinen Namen genannt.«
»Aber dein anklagender Blick lässt wohl niemanden über deine Gedanken im Zweifel!«
Kenson blickte sein Gegenüber ruhig an. »Ich hätte gerne von dir gehört, was passierte, als wir dich mit dem erblindeten Borvek in dem verlassenen Haus zurückließen, Laptir«, sagte er.
»Das steht doch alles in meinem Bericht …«
»Ich kenne den Bericht nicht. Deshalb wäre ich dir dankbar, wenn du mir, als deinem Einsatzkommandanten, die Geschehnisse erzählen würdest.«
Laptir blickte zu Thorg Evargher, und als dieser nickte, sagte er: »Na schön. Als ich mit Borvek allein war, schleppte ich mich mit ihm aus dem Haus. Ich sah unsere einzige Chance darin, den Weg durch die Kanalisation zu nehmen. Doch noch bevor wir uns dorthin flüchten konnten, wurden wir von einer Patrouille der Überschweren gestellt. Als Borvek das erkannte, stieß er mich von sich und begann wie verrückt zu feuern. Die Überschweren müssen ihn erschossen haben. Ich konnte mich gerade noch in Sicherheit bringen. Borvek hat mir das Leben gerettet.«
»Nun, vielleicht wollten dich die Überschweren sogar laufen lassen«, meinte Kenson. »Jetzt, da ich mich zurückerinnere, fällt mir ein, dass du nur zu bereitwillig bei Borvek bliebst, als wir zur Pyramide aufbrachen.«
Für einen Moment sah es aus, als wolle sich Laptir auf ihn stürzen. Doch er hatte sich sofort wieder in der Gewalt. »Ich bin auf deinen Befehl hin zurückgeblieben«, sagte er. »Mir scheint, du suchst nur einen Sündenbock für dein Versagen. Du hast bis auf Quevamar alle deine Leute verloren. Ist es nicht viel seltsamer, dass alle außer euch beiden in den Bannkreis der Pyramide gerieten? Und dann gelang es dir sogar noch, mit einem halben Dutzend Überschwerer fertig zu werden.«
»Die Überschweren sind keine ernst zu nehmenden Gegner für einen Ertruser«, behauptete Kenson.
»Ja, und schon gar nicht sind es Gegner für einen Ertruser, der sich mit ihnen abgesprochen hat!«
»Quevamar ist Zeuge dafür, dass mein Bericht in allen Einzelheiten stimmt.«
»Ach?« Laptir blickte sich mit spöttischem Lächeln um. »Was soll man denn von seiner Aussage schon halten, da jeder hier weiß, dass ihr beide unzertrennliche Freunde seid?«
Quevamar Ablonth, der bisher kein Wort gesagt hatte, sprang von seinem Platz und stürzte sich auf Laptir. Seinem wutverzerrten Gesicht nach zu schließen, hätte er ihn erschlagen, wenn Thorg Evargher nicht eingeschritten wäre.
»Jetzt ist es aber genug!«, rief der Leiter der Untergrundorganisation. Quevamar Ablonth ließ zögernd von seinem Kontrahenten ab. Evargher fuhr fort: »Wir können es uns nicht leisten, uns wegen irgendwelcher lächerlicher Verdachtsmomente gegenseitig zu zerfleischen. Der Fall wird von einer unparteiischen Kommission untersucht. Bis zum Abschluss der Untersuchungen möchte ich kein Wort mehr darüber hören. Wir vertagen die Sitzung auf morgen. Bis dahin werden sich die Gemüter hoffentlich beruhigt haben.«
»Aber das ist doch Unsinn, Thorg«, wandte Laptir ein. »Wegen einer solch unbedeutenden Meinungsverschiedenheit brauchen wir doch nicht die ganze Konferenz platzen zu lassen. Wenn Wargor sich bei mir entschuldigt, nehme ich auch meine Anschuldigungen gegen ihn zurück.«
»Das könnt ihr unter euch privat ausmachen«, sagte Thorg Evargher. »Die Sitzung ist geschlossen.«
»Und was ist mit den wichtigen Neuigkeiten, die du uns mitteilen wolltest?«, erkundigte sich Laptir – etwas zu eifrig, wie es Wargor Kenson schien.
Thorg Evargher schien Laptirs Ungeduld auch nicht recht zu behagen, denn er blickte ihn lange und durchdringend an, bis dieser den Blick senkte. Evargher sagte nur: »Es hat Zeit bis morgen.«
Die Mitglieder des EBK verließen nacheinander unauffällig und auf verschiedenen Wegen das Bürogebäude. Nur das Stammpersonal, als Angestellte verschiedener Firmen getarnt, blieb zurück, um die Räume und die geheimen Anlagen zu bewachen.
Thorg Evargher fuhr mit seiner Leibgarde im Lift zum Dach des zwanzigstöckigen Bürogebäudes hinauf, das im Herzen von Baretus stand und für ertrusische Begriffe ungewöhnlich hoch war. Die meisten anderen Gebäude wurden wegen der Schwerkraft in die Breite und nicht in die Höhe gebaut. Deshalb wirkte Baretus auch mehr wie eine
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