Silberband 084 - Eine Galaxis stirbt
bewahrt werden.«
»Du Verrückter!«, schrie ich und zeigte auf Vater. »Das sagst du? Siehst du denn nicht, dass hier der eine Gerechte ist? Bist du so verblendet, nicht zu erkennen, dass Vater unsere Welt retten wird?«
»Er?«, fragte der Priester verächtlich. »Ihn kann niemand ernst nehmen.«
In dem Moment geschah es. Ich spürte, dass die Wirkung des Medikaments nachließ. Gleichzeitig griff mich einer der Priester an und versuchte, mich mit dem Schwert zu durchbohren. Geschmeidig sprang ich zur Seite. Die Klinge zuckte an mir vorbei. Die anderen Mörder mochten annehmen, dass dies eine gute Chance für sie war, Vater doch noch zu töten.
Ich machte von meiner Waffe Gebrauch. Meine Arme wirbelten nach vorn, die an der Haut befestigten Pfeile lösten sich. Zwei von ihnen durchbohrten einen der Angreifer, und ihr Gift tötete ihn sofort.
Die anderen wichen feige zurück. »Verschwindet!«, herrschte ich sie mit zornbebender Stimme an. »Geht sofort, oder ihr werdet sterben!«
Als sie nicht augenblicklich gehorchten, sprang ich von der Bank herunter und ging auf sie zu. Einer von ihnen bückte sich noch und hob das Schwert des Toten auf, dann flohen sie in den Nebenraum und kletterten durch ein offenes Fenster in den Garten. Ich schaute ihnen nach, bis sie hinter den Bäumen und Büschen verschwunden waren. Dann verschloss ich das Fenster und kehrte zu Vater zurück. Eilig löste ich seine Fesseln.
Er strich mir dankbar mit der Hand über den Arm. Seine Augen leuchteten vor Stolz und Freude. Rasch wandte ich mich ab und kümmerte mich um meine Brüder und Schwestern. Es machte mich verlegen, Vater so zu sehen. Ich hatte doch nichts Ungewöhnliches getan. Jedes meiner Geschwister hätte ebenso gehandelt.
Als sie begriffen, was geschehen war, blickten sie mich voller Entsetzen und Trauer an. Wir wussten alle, dass ich schon bald vor dem Blinden stehen würde.
Ich kannte den Blinden! Es war Oppol Abryok. Aber das war sein Name gewesen, als er noch nicht dieses hohe Amt eingenommen hatte. Für kurze Zeit hatte ich mit ihm die gleichen wissenschaftlichen Lehrgänge besucht, und ich war dabei gewesen, als man ihm nach der großen Abschlussprüfung die Augen geöffnet hatte.
Sehr gut erinnerte ich mich an die Szene, bei der Oppol Abryok stolz im Kreis seiner Lehrer gestanden hatte. Mit weit geöffneten Augen hatte er auf die Messer gewartet, und ich hatte nicht das geringste Zucken von Furcht bei ihm bemerkt, als es geschehen war.
Jetzt saß er vor mir und konnte mich nicht sehen, weil seine Augenhöhlen leer waren. Er hörte mich lediglich, aber an der Stimme würde er mich nicht erkennen. Wir Zgmahkonen erleben unsere Umwelt hauptsächlich optisch, akustische Unterschiede können sie nur schwer feststellen. Daher wusste ich, dass der Blinde mich völlig objektiv beurteilen würde. Er würde selbst seinen eigenen Vater nicht identifizieren können und über ihn ebenso sachlich richten wie über jeden anderen.
An seiner Seite hatte der Zweiköpfige Platz genommen. Von ihm ging die eigentliche Gefahr aus. Vater befand sich neben mir; meine Brüder und Schwestern mussten hinter der Schranke bleiben und durften sich nicht äußern. Dem Zweiköpfigen standen hingegen fünf namhafte Wissenschaftler zur Seite.
Der Blinde forderte mich auf, den Vorfall zu schildern. Alle hörten mir schweigend zu.
»Du hast also getötet?«, fragte er schließlich.
»Ich habe den Mann getötet, der meinen Vater ermorden wollte!«
»Demnach glaubst du, dass deine Tat gerechtfertigt war?«, forschte der Zweiköpfige. Er sollte der eigentlich Gerechte sein und meine Rechte gegen die der Öffentlichkeit abwägen.
»Das glaube ich«, antwortete ich. »Auf andere Weise hätte ich meinen Vater nicht retten können.«
»Warum sind diese Männer in das Erryog-Gebäude gekommen?«
Ich hatte geahnt, dass der Blinde das Geschehene so auslegen würde.
»Sie fürchteten, dass mein Vater mit seinem wissenschaftlichen Werk die Rettung von Millionen Zgmahkonen verhindert. In ihrer Verblendung glaubten sie, ihn ermorden zu müssen, um seinen großen Plan zu verhindern.«
»Ich verstehe«, sagte der Blinde. Dabei war ich überzeugt, dass er die Wahrheit noch lange nicht sah. »Zu allen Zeiten unserer Geschichte hat es Katastrophen gegeben, vor denen Männer als Propheten auftraten. Es gibt jedoch unter Hunderten kaum eine Hand voll, von denen man sagen könnte, sie hätten die Wahrheit vorhergesagt.«
»Verzeih, Blinder, es waren mehr als
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