Silberband 084 - Eine Galaxis stirbt
Worte für Vater. Damit zerstörte der Blinde sein Lebenswerk. In mir verkrampfte sich alles. Ich vergaß mein eigenes Schicksal. Ich würde sterben, aber was bedeutete das gegen das Urteil, das der Blinde über Vaters Werk gefällt hatte? Für ihn war alles viel schlimmer. Zudem trug ich die Schuld daran, denn hätte ich die Situation anders gelöst, wäre es nie zu dieser Verhandlung gekommen.
Grojocko würde sich nun wirklich entvölkern. Die Zgmahkonen würden den Glauben an Vater verlieren und ihn allein lassen. Vielleicht würden nur wir Spezialisten der Nacht bei ihm bleiben.
Selbstverständlich mussten die Priester der singenden Schwerter von Grunacku mit schweren Strafen rechnen. Aber sie hatten nicht getötet. Niemand konnte ihnen beweisen, dass sie ihre Drohung wirklich wahr gemacht hätten.
»Olw Erryog«, fuhr der Blinde fort. »Du hast das Verbrechen gestanden. Also bleibt dem Gericht keine andere Möglichkeit, als dieses Urteil auszusprechen: Deine Adern sollen geöffnet werden, bis das Leben aus deinem Leib gewichen ist oder die Adern sich von selbst geschlossen haben. – Der Adernöffner walte seines Werks!«
Das war das erwartete Todesurteil.
Die Worte bis die Adern sich von selbst geschlossen haben waren nur eine Floskel. Theoretisch bestand die Möglichkeit, dass der Blutstrom aus geöffneten Adern von selbst versiegte, bevor der Delinquent starb. Dann war er gerettet und durfte weiterleben, wobei es jedoch verboten war, ihm medizinisch zu helfen. Er musste sich aus eigener Kraft erholen. Das aber hatte noch niemand in der Geschichte unseres Volks geschafft.
Ich machte von meinem Recht Gebrauch und ging zu Vater, meinen Brüdern und Schwestern und nahm von ihnen Abschied. Dabei wagte ich nicht, zu der Stahltür hinüberzuschauen, die zum Hinrichtungsraum führte. Dort musste nun schon der Adernöffner stehen, das blitzende Messer in der Hand.
Als ich mich auch von Py gelöst hatte, musste ich zu meinem Platz zurückkehren.
Der Durchgang war nach wie vor geschlossen.
»Wo bleibt der Adernöffner?«, fragte der Blinde ärgerlich.
Der Zweiköpfige klopfte an die Tür. Als nichts geschah, stieß er sie auf und blickte in den Hinrichtungsraum. Hastig drehte er sich um und taxierte mich bestürzt.
»Es … ist etwas Entsetzliches passiert!«, rief er.
»Was ist los?«, fragte der Blinde ungeduldig.
»Der Adernöffner hat den Planeten bereits verlassen. Niemand rechnete noch mit einem Todesurteil.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es war völlig ausgeschlossen, dass der Henker zurückkehrte. In den Augen dieser Narren liefen die letzten Stunden unseres Planeten ab. Das bedeutete, dass niemand wieder nach Grojocko fliegen würde, der diese Welt schon verlassen hatte. Und einen anderen Adernöffner gab es nicht – erst nach seinem Ableben durfte das Gericht einen Nachfolger ernennen.
»Grojocko wird untergehen und mit ihm alle, die auf diesem Planeten bleiben«, erklärte der Blinde ruhig. »Also wird auch Olw Erryog sterben. Damit er jedoch keine Gelegenheit erhält, noch in letzter Stunde zu fliehen, soll er an die Ketten der Kathada geschlagen werden.«
Ich erstarrte vor Schreck. Das war schlimmer als der Tod. Ich würde mit einem Metall verbunden werden, das niemand mehr von mir würde lösen können. Eine Protestmöglichkeit hatte ich nicht.
Schweigend wartete ich, bis das Gericht den Saal verlassen hatte. Meine Brüder und Schwestern wurden hinausgedrängt, nur Vater weigerte sich zu gehen. Er blieb, bis die Schergen mich abführten.
Vor dem Gebäude wartete ein Fluggleiter auf mich. Die Straßen waren wie leer gefegt. Ich beobachtete einige Mitarbeiter des Informationsamts, die zu den Redaktionen rasten. Grojocko sollte schnell erfahren, welches Urteil über Vaters Arbeit gefällt worden war.
Mich brachten die Schergen bis zum zentralen Platz von Gronock. Hier erhob sich der ovale Torbogen der Kathada bis in eine Höhe von hundert Körperlängen. Aus dem höchsten Bogen hingen die schweren Metallketten herab.
Die Männer, die das Urteil zu vollstrecken hatten, flogen mich mit dem Gleiter unter die frei hängenden Enden der Ketten, legten mir die Manschetten an und schweißten sie mit einem Molekularverschmelzer zusammen. In einer Höhe von etwa vierzig Körperlängen hing ich mit ausgestreckten Armen unter dem Torbogen. Tief unter mir stand Vater. Erst jetzt bemerkte ich, dass jemand mir ein Funkgerät um den Hals gehängt hatte.
»Du darfst deine Arbeit nicht ruhen
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